Kein Sklavenhandel

JAKOB LAURENZ GSELL: Sklavenhändler-These durch Fakten widerlegt

von Franz Welte

Der St.Galler Jakob Laurenz Gsell (1815 bis 1896) scheint doch kein Sklavenhändler gewesen zu sein, wie immer wieder, auch vom St.Galler Hans Fässler, festgestellt worden ist. Dies geht aus einer neuen historischen Publikation hervor. Damit ist eine St.Galler (und schweizerische) Beteiligung am Sklavenhandel nicht belegbar.

Wie dem Werk «Jakob Laurenz Gsell – vom Unternehmer in Rio de Janeiro zum Bankier in St.Gallen» von Urs Alfred Müller Lhotska hervorgeht, beschäftigte Gsell als «Prinzipal» mit eigenem Geschäftshaus auch farbige Laufburschen und Hausdiener, die er entweder mieten oder käuflich erwerben musste. Wie damals üblich, ging er mit den Sklaven nicht zimperlich um. So ist in einem Brief an seine Eltern vom 16. Juli 1836 zu lesen: «Um das Völkerrecht gut zu handhaben, habe ich meine Reitpeitsche, die ich doch nicht an Pferden verbrauchen kann zu anderem Zweck hervorgenommen, wenn ich nämlich meinem Schwarzen etwas befehle und er nicht sogleich gehorcht, husch, da zuckt etwas durch die Luft und ein guter Hieb sitzt auf dem Rücken des Negers, das ist das beste Mittel zur Aufklärung des Plebs oder ist das nicht so?» Auch sieben Jahre später scheinen sich die Erziehungsmethoden Gsells gegenüber schwarzen Sklaven nicht geändert zu haben, schreibt er doch am 3. Juni 1843: «Mit nächstem Brief mache ich eine Beschreibung auf jetziger Lebensweise, bei eigenem Hausstande. – Anfang haperte es ein wenig, jetzt ist aber der schwarze Antonio gut eingelernt, das heisst auf brasilianisch eingeprügelt ». Derartige Behandlungen von Sklaven waren damals offenbar an der Tagesordndung. Wie aus den Briefen Gsells ersichtlich, hat er im Laufe seines 15jährigen Brasilienaufenthalts drei Schwarze beschäftigt, von denen «Joaquin» ein zum Kaufpreis von 830 Gulden erstandener Sklave war.


Nicht auf Urkunden zurückgegriffen


Wörtlich aber stellt der Autor in seinem Abstraktum fest: «Weder Jakob Laurenz Gsell noch sein Partner Jakob Friedrich Billwiller haben in Brasilien Sklavenhandel betrieben.» Tatsächlich besteht keine glaubhafte Urkunde, die seinen Sklavenhandel belegen würde. Wie kam es aber zur Behauptung, Gsell habe Sklavenhandel betrieben? Gemäss Bundesarchivar Felix Diener hat sich Hans Fässler punkto Sklavenhandel nicht auf schriftliche Originalquellen berufen, sondern unterlegt seine Schlussfolgerung mit einem Zitat aus einer Schrift von Béatrice Veyrassat über den Schweizer Handel mit Mittel und Südamerika im 19. Jahrhundert, in der der Sklavenhandel unterstellt wird. Die Quelle stellt ein Buchzitat aus einem Werk eines seiner zwanzig Enkelkinder, nämlich von Otto GsellDietschi, Professor der Medizin in Basel und St.Gallen (1902 bis 1990) dar, so dass auch die Behauptung entstand, die Firma Billwiller, Gsell & Co. habe Sklavenhandel betrieben. In recht salopper Form schrieb dieser in seinem 1984 erschienenen Buch «Zur Geschichte von St.Galler Familien – Gsell, Baerlocher, Naeff. Lutz» den aus einer Tischrede von 1975 stammenden Satz: «Jakob Gsell war führend in der Postverwaltung St.Gallen tätig, Mitbegründer der Helvetia Versicherungsgesellschaft, hatte Stallungen mit Pferden, brachte für einige Zeit als Diener einen Schwarzen mit und wurde als Sklavenhändler seltsam beachtet.» Nach Alfred MüllerLhotska war Veyrassat offenbar bei der Abfassung ihrer Arbeit nicht im Besitze der Briefe Jakob Laurenz Gsells aus Rio. Es gibt keine Dokumente, die diese These stützen könnten. Es ist gemäss den Originalurkunden auch nicht richtig, dass Gsell anlässlich seines Besuches in St.Gallen einen schwarzen Diener mitgebracht habe. Dagegen war seine Schwägerin Mathilde LabhardtLutz Mitte der 1860er Jahre mit ihrem Diener «Pedro» nach St.Gallen gereist. Es ist auch festzuhalten, dass nach Veyrassat in Rio de Janeiro als einzige Schweizer Firma Billwiller, Gsell & Co. Sklavenhandel betrieben haben soll. Da Veyrassat ausser der fehlerhaften von Otto Gsell keine weitere Quelle fand, ist anzunehmen, dass ein Sklavenhandel durch Schweizer urkundlich nicht belegbar ist. Nun legt allerdings Hans Fässler dar, dass auch jene, die Sklaven beschäftigt und sich nicht gegen den Sklavenhandel gewehrt hätten, mitschuldig am Sklavenhandel gewesen seien, somit auch Jakob Laurenz Gsell.


Auch gemeinnützig tätig

Es darf in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden, dass der damals 35jährige Gsell 1851 nach seiner definitiven Rückkehr nach St.Gallen sein Wissen und Können sowie seine Erfahrung für weitere 35 Jahre der Wirtschaft zur Verfügung gestellt hat. Er war unter anderem Mitbegründer verschiedener Banken und wirkte auch gemeinnützig. Zur Abrundung des Bildes von Gsell gehört natürlich auch dies, ohne den Sklavenbesitz und die Sklavenbehandlung beschönigen zu wollen.

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Leserbrief von Hans Fässler:

Abenteuerlicher Schluss

Wenn Franz Welte die Historikerin Beatrice Veyrassat (und damit auch mich als Autor von «Reise in SchwarzWeiss») kritisiert, weil sie sich allzu einseitig auf die GsellFamiliengeschichte von Otto GsellDietschi gestützt hat, so hat er damit nicht unrecht. Allerdings habe ich Jakob Laurenz Gsell in meinem Buch nie als «Sklavenhändler» bezeichnet, sondern nur die Familiengeschichte und die Briefe aus Rio zitiert. Als geradezu abenteuerlich muss man hingegen den Schluss bezeichnen, den Franz Welte daraus zieht. Zu behaupten, damit sei «eine St.Galler (und schweizerische) Beteiligung am Sklavenhandel nicht belegbar», steht nicht nur im Widerspruch mit den übrigen 18 Kapiteln meines Buches, sondern auch mit zahlreichen anderen historischen Publikationen, die seit den 1990erJahren nachgewiesen haben, dass Schweizer Geschäftsleute und Firmen mit dem wirtschaftlichen System der Sklaverei eng verbunden waren und davon profitiert haben. Schmunzeln lässt mich zum Schluss die Tatsache, dass sich die Orientierungsmassstäbe in Sachen Beteiligung am Menschheitsverbrechen «Sklaverei» inzwischen offenbar so sehr verschoben haben, dass es für den Helvetia-Mitbegründer (und UBS-Urahne) Gsell eine moralische Entlastung sein soll, dass er «nur» prügelnder Sklavenbesitzer und nicht Sklavenhändler gewesen ist. Hans Fässler St.Gallen