(sda) 19. Juni 2003

Konzertierte Aktionen zu Schweizer Beteiligung an Sklaverei Zwischenbilanz: "Achse der Vernünftigen" von Basel bis Herisau

(Regionale Fassung)

St. Gallen (sda) Einige Kantone und Städte sind bereit, sich aneinem Forschungsprojekt zur Schweizer Beteiligung an Sklaverei und Sklavenhandel zu beteiligen: Das ist die vorläufige Zwischenbilanz einer konzertierten Aktion mit Vorstössen in elf Parlamenten.

Die Diskussion um die Beteiligung von Schweizer Handelsfirmen an Sklaverei und transatlantischem Handel mit Sklavinnen und Sklaven
wurde neu entfacht durch den St. Galler Politiker und Kabarettisten Hans Fässler (SP).

Im Rahmen eines Geschichts- und Kabarettprojekts "Louverture stirbt 1803" zeigte er auf, wie St. Galler Söldner vor 200 Jahren auf Haiti gegen aufständische Sklaven kämpften. Bei seinen Recherchen fand Fässler weitere Belege für schweizerische Verflechtungen mit Sklaverei und Sklavenhandel.

Bereitschaft

In einer konzertierten Aktion wurden auf Fässlers Anregung hin im Nationalrat und in elf Kantons- und Stadtparlamenten entsprechende parlamentarische Vorstösse eingereicht.

Inzwischen liegen die Antworten des Bundesrats und jene mehrerer Kantons- und Stadtregierungen vor. Basel, die Stadt St. Gallen und Ausserrhoden sowie bis zu einem gewissen Grad auch der Bundesrat signalisierten dabei ihre Bereitschaft, sich an einem Forschungsprojekt zu beteiligen.

In einer ersten Zwischenbilanz spricht Fässler nun von einer
"Achse der Vernünftigen" von Basel bis Herisau. Die Lancierung eines entsprechenden Forschungsprojekts werde von interessierten Historikerinnen und Historikern tatsächlich diskutiert, stellt Fässler fest.

International

Verschiedene Schweizer Bürger seien mehr oder weniger stark am
transatlantischen Sklavenhandel beteiligt gewesen, stellte der Bundesrat in seiner Antwort auf eine Interpellation der St. Galler Grünen Pia Hollenstein fest.

Die verschiedenen Aspekte der Sklaverei und des Sklavenhandels müssten auf internaitonaler Ebene und unter Beteiligung der Zivilgesellschaft behandelt werden, da an Sklaverei und Sklavenhandel viele Staaten beteiligt gewesen seien, heisst es weiter in der bundesrätlichen Antwort.

Deshalb versuche die Schweiz eine vermittelnde Rolle zwischen den afrikanischen Staaten und ehemaligen Kolonialmächten zu spielen, vor allem in der UNO-Menschenrechtskommission.

Der Bundesrat ist zwar bereit, die politische notwendige Aufarbeitung der Vergangenheit zu unterstützten. Er sehe aber dort eine Grenze, wo sich durch den Lauf der Zeit und die verjährende Wirkung der Generationenfolge die Verantwortlichkeit heutiger Generationen für die Fehler der Ahnen verflüchtigt habe, heisst es.

Der Regierungsrat von Basel-Stadt ist der Ansicht, die Beteiligung von historischen Basler Unternehmen an Sklaverei und Sklavenhandel rechtfertige Forschungsanstrengungen. Allerdings sei es nicht Sache des Staats, die Erforschung einzelner historischer Themen direkt zu fördern.

Sklavenaufseher auf Kuba

Appenzeller hätten sich im 18. und 19. Jahrhundert als sklavenhaltende Grundbesitzer in den Südstaaten der späteren USA und als Sklavenaufseher auf Kuba betätigt, sagte die Ausserrhoder Regierungspräsidentin (Landammann) Alice Scherrer im Ausserrhoder Kantonsrat.

Appenzeller hätten aber auch Sklaverei am eigenen Leib erfahren. Dazu gebe es auch Publikationen. Eine auf den Kanton beschränkte Aufarbeitung sei nicht adäquat. Aber die Ausserrhoder Regierung sei bereit, wissenschafltiche Studien zu unterstützen, sagte Scherrer.

Ähnlich lautet die Antwort des St. Galler Stadtrats. Die St. Galler Kantonsregierung hingegen sieht "keine Veranlassung, entsprechende Forschungen einzuleiten oder zu unterstützen".