25. September 2007, 16:37
Von Benno Gasser

Zürcher hielten Sklaven
Zürcher Firmen, Privatleute und die Stadt waren im 18. und 19. Jahrhundert in den Sklavenhandel verwickelt. Dies ist das Resultat einer Studie.
Sklavenhandel und Zürich – die beiden Begriffe scheinen nicht zusammenzupassen. Die frühere Gemeinderätin Renate Schoch (AL) wollte es genau wissen. Im April 2003 überwies der Gemeinderat gegen den Willen des Stradrats ihr Postulat, mit der Aufforderung, diesen Punkt aufarbeiten zu lassen. Nach vier Jahren liegt die Antwort vor: Zürcher hielten sich Sklaven und mischten im Sklavenhandel mit.

Nur wenige Quellen aufgefunden
Für die Historiker Konrad J. Kuhn und Béatrice Ziegler-Witschi war die Ausgangslage schwierig. Quellen waren nur spärlich vorhanden. Trotzdem fanden sie eindeutige Beweise. So hielt sich der Zürcher Pfarrer Heinrich Grob in Surinams Hauptstadt Paramaribo Sklaven. In einem Brief an seine Familie schrieb er 1773 über entlaufene «Busch-Neger». Im Nachlassinventar des von Zürich nach Brasilien ausgewanderten Arztes Theodor von Muralt taucht neben Möbeln und Tieren auch ein «Sklave namens Benedito» auf.
Im Jahr 1876 schickte der Zürcher Friedrich Blum mit anderen Schweizer Pflanzern acht seiner Sklaven als Teil eines Kontingents, um eine Strasse im brasilianischen Leopoldinha zu reinigen. «Sklaverei als solche war den meisten Schweizern wie anderen Europäern selbstverständlich», schreiben die Verfasser der Studie.

Sklavenaufstände niedergeschlagen
Zürcher waren auch als Bewacher von Plantagen, zur Verfolgung entflohener Sklaven und zur Niederschlagung von Aufständen eingesetzt. Allein für die niederländische Westindische Handelsgesellschaft waren zwischen 1760 und 1795 in Curaçao und Guyana mindestens 30 Zürcher tätig. Indirekt war auch die Stadt Zürich in den Sklavenhandel verwickelt. Im Jahr 1727 erwarb sie 120 Aktien der englischen South Sea Company, die «in der Südsee im Sklaven- und Kolonialwarenhandel» ihr Geld verdiente.

Firmen, Familien, Einzelne als Profiteure
Zürich war im 18. Jahrhundert noch kein grosser Wirtschaftsort und spielte daher im Sklavenhandel eine marginale Rolle. Bedeutender war die Funktion von Unternehmen, Familien und Einzelpersonen aus der Stadt. Sie haben sich «aktiv und indirekt an Sklaverei und Sklavenhandel beteiligt und standen keineswegs abseits», schreiben die Autoren. Für die Akteure sei dies damals eine von zahlreichen Möglichkeiten gewesen, um Geld anzulegen.
Bezeichnend ist auch, dass Hans Zoller, der 1596 als erster Zürcher amerikanischen Boden betrat, an Bord eines Sklavenschiffes reiste. Für den Stadtrat ist das Kapitel Sklaverei nun erledigt: «Der Stadtrat fühlt sich nicht zum Richter über die damalige Zeit, und er fühlt sich auch nicht zur historischen Forschung berufen.»


25. September 2007, 16:32
Sklaverei-Geschichte: Kein Zutritt zu Credit Suisse-Archiven
Die Credit Suisse Group verweigerte als Rechtsnachfolgerin der Bank Leu den Historikern den Zugang zu ihren Archiven – mit Hinweis auf das Bankgeheimnis.
In «Reise in Schwarz-Weiss», erschienen 2005, beschreibt der St. Galler Historiker Hans Fässler die «Mitfinanzierung des dänischen Sklavenhandels durch die halbstaatliche Bank Leu & Co». Sie gewährte 1760 Dänemark eine Anleihe, mit der in der Karibik die dänischen Antillen St. John, St. Croix und St. Thomas erworben wurden – so wurde ein wichtiger Umschlagsplatz für Sklaven mitfinanziert.
Die Archive der halbstaatlichen Zinskommission Leu & Co. befinden sich heute allesamt im Archiv der Credit Suisse Group. Eine Einsichtnahme war für die beiden unabhängigen Historiker Konrad J. Kuhn und Béatrice Ziegler-Witschi nicht möglich.
Magere Unterstützung durch die CSS
Die Archivdienste der Grossbank klärten zwar einige Sachverhalte zum Teil ab und bestätigten in zwei Fällen eine indirekte Verbindung zu Sklavenhandel und Sklaverei. Doch weiter gehende Fragen wurden nicht beantwortet.
Die Begründung lautete, diese Abklärungen wären zu aufwendig, wie Konrad J. Kuhn heute sagte. Das Fazit von ihm und seiner Kollegin Béatrice Ziegler-Witschi: «Die Forschungslücke bleibt auch in Zukunft bestehen.»