Geschichte

Wir Sklaventreiber

Die Schweiz war nie eine Kolonialmacht.
Das soll uns jetzt leidtun.

Von Alex Baur - Hat sich auch die Schweiz - klammheimlich wie üblich - am Sklavenhandel bereichert? Muss schon wieder ein düsteres Kapitel der Geschichte neu beleuchtet werden? Nach der Holocaust- und der Apartheid-Debatte eine über Sklaverei? Für den St. Galler Kabarettisten, SP-Politiker und Lehrer Hans Fässler ist klar: Schwere Schuld lastet auf uns allen, Sühne ist angezeigt.

Vor drei Jahren stöberte Fässler im Internet beim "Googeln" zufällig ein paar alte Eidgenossen auf, zumeist Auswanderer oder Kaufleute, die mit der Sklaverei zu tun hatten. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurden auch hierzulande sorglos mit Blut und Schweiss von Sklaven befleckte Rohstoffe konsumiert. Als im April 2003 der korrupte haitianische Machthaber Jean-Bertrand Aristide von der einstigen Kolonialmacht Frankreich 21 Milliarden Dollar Wiedergutmachung forderte, erkannte Fässler deshalb auch Handlungsbedarf in der Schweiz.

Vor einem Jahr veröffentlichte der Google-Historiker, der sich im Web stolz an der Seite von Ed Fagan präsentiert, seine von der öffentlichen Hand grosszügig finanzierten Nachforschungen als Buch*). Die Presse nahm das Thema bereitwillig und wohlwollend auf (die Datenbank SMD weist 81 Zeitungsbeiträge aus, davon allein 37 im St. Galler Tagblatt). Fässlers Genossen lancierten landesweit zwanzig parlamentarische Vorstösse. So wurde auch schon im "Municipio di Brissago" über den Schweizer Anteil an der Sklaverei debattiert.

Allmählich beeindruckt das mediale Sperrfeuer selbst den Bundesrat, der 2003 noch schnöd meinte, die Schweiz habe nie Kolonien besessen und die heutige Generation wäre ohnehin nicht verantwortlich für die Sünden ihrer Urahnen. Doch jetzt vollzieht der Bundesrat unter der Federführung von Micheline Calmy-Rey eine Wende und teilt mit, dass er die Schweizer Beteiligung am Sklavenhandel "zutiefst bedauert" und Geld für die wissenschaftliche Aufarbeitung lockermachen will. Noch ist von Wiedergutmachung nicht die Rede. Doch der Weg für eine "Fässler-Kommission", welche die dafür nötigen Grundlagen zweifellos liefern würde, ist schon geebnet.

Vorläufiges Fazit: Mit Sklaven- und Ablasshandel lässt sich auch im 21. Jahrhundert noch gutes Geld machen.


*) Hans Fässler:
Reise in Schwarz-Weiss. Rotpunktverlag. 340 S., Fr. 36.-