Globus und Sklaverei

Der St. Galler Historiker Hans Fässler über Wege der Wiedergutmachung

St. Gallen/Bern. DieBeilegung des Kulturgüterstreits zwischen St. Gallen und Zürich ist für den St. Galler Historiker Hans Fässler ein Schulbeispiel, wie die Aufarbeitung historischen Unrechts zu handhaben wäre.

St. Gallen und Zürich hatten sich im Frühling im Streit um jene Kulturgüter geeinigt, die die Zürcher Truppen in den Villmerger-Kriegen 1712 in St. Gallen erbeutet hatten. Diese Einigung könnte auch den Weg zur Wiedergutmachung im Falle der Sklaverei aufzeigen, erklärte der Historiker Hans Fässler am Donnerstag in Bern vor den Medien.

Umfrage durchgeführt

Fässler, der ein Buch über die Schweizer Verstrickung in die Sklaverei verfasst hat, befragte St. Galler Politiker sowie Vertreter von Kirchen und Stiftsbibliothek zum Thema Kulturgüterstreit und Wiedergutmachung.

Eine Mehrheit der Befragten glaubt zwar nicht, dass sich die Beilegung des Kulturgüterstreits auf die Wiedergutmachung im Falle der Sklaverei übertragen lasse. Anderseits hielt aber auch eine Mehrheit die Forderungen nach Wiedergutmachung des Unrechts, das durch den Sklavenhandel entstand, für gerechtfertigt.

Nachwirkungen

Für den St. Galler Rechtsprofessor Rainer Schweizer, der den Kulturgüterstreit untersucht hatte, geht es nicht darum, Nachkommen von Sklavenhaltern zur Rechenschaft zu ziehen. Angesagt sei vielmehr eine Aufarbeitung der Problematik sowie eine Klärung der Frage, was die Schweiz zur Linderung der Nachwirkungen des damaligen Unrechts beitragen könnte. Die historisch-juristische Aufarbeitung der Sklaverei könne dazu dienen, Probleme der Gegenwart besser zu erfassen – wie etwa den modernen Menschenhandel, so Schweizer.

Für Aufarbeitung einsetzen

Die Schweiz soll sich nach Meinung von Nationalrat Josef Lang (Alternative/ZG) «zusammen mit anderen kleinen Sklaverei-Nationen» in der UNO und anderen Gremien dafür einsetzen, dass die Aufarbeitung der Sklaverei und die Wiedergutmachung ein Thema bleiben. Dazu will er im Parlament eine Motion einreichen. Ausserdem solle die Schweiz zwischen Haiti und Frankreich in der Frage der Rückerstattung der haitianischen «Unabhängigkeitszahlung» vermitteln.

Wie der haitianische Diplomat Jeannot Hilarie darlegte, auferlegte Frankreich 1825 seiner früheren Sklaven-Kolonie Haiti eine «Ablösungszahlung» von 90 Mio. Goldfrancs. Haiti musste die Schulden bis ins 20. Jahrhundert hinein abzahlen. Das Land fordert die Summe nun zurück. (sda)