Zur Pressekonferenz "Kulturgüterstreit SG–ZH, die Schweiz und die Wiedergutmachung der Sklaverei" vom 19. Oktober 2006 in Bern

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Die Forderung St. Gallens an Zürich, die im zweiten Villmergerkrieg 1712 gestohlenen Handschriften und den so genannten Himmelsglobus zurückzugeben, hat die politischen Kräfte St. Gallens von links bis rechts geeint, Regierung und Parlament zusammengeschweisst und protestantische Historiker am selben Strick ziehen lassen wie die Katholische Administration. Zusammen mit den aufgewendeten Arbeitsstunden war der zehnjährige Kampf für historische Gerechtigkeit dem Kanton über eine halbe Million Franken wert. Leserbriefschreiber vergossen angesichts des ausgehandelten Kompromisses noch diesen Frühling Herzblut und forderten die totale Wiedergutmachung.

Wie klingt es aus den selben Kreisen, wenn seitens der Nachkommen der Opfer von Sklaverei, Rassismus und Kolonialismus die Forderung nach Wiedergutmachung für historisches Unrecht gestellt wird? Wenn afrikanische, karibische und amerikanische Zivilgesellschaften argumentieren, ihnen seien nicht nur Kulturgüter geraubt worden, sondern Menschen, Lebenschancen und Milliarden von Arbeitsstunden?

Der Historiker und Buchautor Hans Fässler aus St.Gallen ("Reise in Schwarz-Weiss. Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei", Zürich 2005) sieht im Kulturgüterstreit zwischen St.Gallen und Zürich geradezu ein Schulbeispiel, wie man mit der Aufarbeitung weit zurückliegenden historischen Unrechts umgehen kann und was für Schritte zur Wiedergutmachung man auch im Falle der Sklaverei unternehmen könnte. Er hat bei st.gallischen Entscheidungsträgern aus Politik, Kirche und Verwaltung eine Umfrage zu diesem Thema durchgeführt, deren Ergebnisse er präsentiert.

Prof. Dr. Rainer Schweizer (Mitautor von "Der Anspruch von St. Gallen auf Rückerstattung seiner Kulturgüter aus Zürich", Zürich, Basel und Genf 2002) ist Professor für Öffentliches Recht einschliesslich Europarecht und Völkerrecht an der Universität St.Gallen. Er beleuchtet Aspekte der Wiedergutmachung von Sklaverei und Sklavenhandel beleuchten, welche seit ihrer Ächtung durch die Signatarstaaten des Wiener Kongresses auch eine völkerrechtliche Dimension haben und die mit der Erklärung von Durban 2001, "dass Sklaverei und Sklavenhandel ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind" eine neue Brisanz bekommen haben.

Der haitianische Diplomat und Historiker Jeannot Hilaire erläutert die Bedeutung der Sklaverei für die systematische Unterentwicklung seines Landes aus Sicht eines Nachkommen der verschleppten und zu Zwangsarbeit verpflichteten Menschen Afrikas und zeigt auf, inwiefern die Kompensationszahlung an Frankreich nach der Unabhängigkeit die haitianische Entwicklung bis ins 20. Jahrhundert hinein behindert haben.

Der Nationalrat und Historiker Dr. Josef Lang würdigt die Antwort des Bundesrates auf seine Interpellation 06.3070: "Die Schweiz und die Sklaverei" und zeigt auf, wo die Schweiz bezüglich der Aufarbeitung und Wiedergutmachung von Kolonialismus, Sklaverei, Rassismus und Imperialismus zusammen mit anderen "kleineren" Sklavereinationen eine wichtige Rolle spielen könnte.

Für Rückfragen: Hans Fässler, Tel. P 071 288 39 52, E-Mail hans.faessler(at)kst.ch.