Hans Fässler
Schweizer Profiteure und Propagandisten der Sklaverei

Hans Fässler ist einer weiteren Öffentlichkeit durch sein Buch «Reise in Schwarz-Weiss» bekannt geworden. Der St. Galler Historiker, Kabarettist und ehemalige SP-Kantonsrat führt seine Leserinnen und Leser zu «Schweizer Ortsterminen in Sachen Sklaverei», wie der Untertitel des bereits in zweiter Auflage erschienenen Buches heisst. Die «Ortstermine» – sie reichen bis nach Haiti und Westafrika – belegen die von der offiziellen Schweiz lange verdrängte, wenn nicht unterschlagene Beteiligung an diesem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im folgenden Beitrag erzählt der Autor, wie er auf sein Thema gestossen ist. Er nimmt uns mit auf eine Spurensuche «von Ost nach West» und plädiert abschliessend für eine Schuldanerkennung bis hin zur materiellen Wiedergutmachung. Der Text gibt ein leicht überarbeitetes und ins Deutsche übersetztes Referat wieder, das Hans Fässler unter dem Titel «1203 Genève, Chemin Surinam» am 13. Mai 2007 an einer Veranstaltung im Genfer Museum «Maison Tavel» zusammen mit dem Historiker Bouda Etemad (Universitäten Genf und Lausanne) gehalten hat. Über politische Vorstösse und Kampagnen im Gefolge dieses trüben Kapitels Schweizergeschichte orientiert www.louverture.ch. Red.

1803 und der «Zufall»
Lassen Sie mich als Einführung erzählen, wie ich auf mein Thema gestossen bin. Wenn man mich bis 2006 danach gefragt hat, dann habe ich immer geantwortet: aus Zufall. Ich habe erzählt, wie ich dabei gewesen sei, für den 200. Jahrestag des Mediationskantons St. Gallen ein satirisches Kabarettprogramm zu erarbeiten. Wie ich versuchte, der drohenden Provinzialität zu entfliehen, und suchte, was sich im Entstehungsjahr meines Heimatkantons sonst noch auf der Welt ereignete. Wie ich, halb spielerisch, halb aus Zufall, das Jahr «1803» ins Suchfeld von «Google» eingetippt habe und wie ich dabei auf Toussaint Louverture, den Helden der haitianischen Sklavenbefreiung, gestossen bin. Wie ich zufällig entdeckt habe, dass St. Galler Familien im 18. Jahrhundert Plantagen besassen, samt «Grundstücken, Obstbäumen, Sklaven, beweglichen Gütern, Gerätschaften, Tieren usw.» Wie ich zufällig im Archiv der französischen Landarmee im Château de Vincennes in Paris herausgefunden habe, dass 1803 ein sanktgallischer Leutnant aus Rorschach auf Haiti für die Wiedereinführung der Sklaverei kämpfte. Durch Zufall, so habe ich jeweils erzählt, sei der haitianische Aussenminister auf meine Website «www.louverture.ch» gestossen und hätte mich zu einer Konferenz über Sklaverei und Wiedergutmachung nach Port-au-Prince eingeladen. Aber als ich die Geschichte dieser vielen Zufälle einer Martinikanerin erzählte, welche ich zufällig bei der jährlichen «Pilgerfahrt» in die Todeszelle von Toussaint Louverture auf dem Fort de Joux getroffen hatte, sagte sie mir: «Es gibt keine Zufälle!» In ihrem Handtäschchen trägt diese Frau immer den «Code Noir» von 1685 mit sich herum, welcher das Leben der Sklavinnen und Sklaven in den französischen Kolonien regelte. Manchmal zieht sie plötzlich mitten in einer Diskussion den Gesetzestext hervor und zitiert daraus den Artikel 44: «Was bin ich? Ein ‹meuble›, ein bewegliches Gut!»

Die andere «Mauer»

Es folgt nun also die zweite Version der Einleitung, dieses Mal ohne Zufälle. Der Kalte Krieg hat das europäische Denken auf die Ost-West-Beziehungen ausgerichtet. Nord-Süd-Fragestellungen hatten es schwer, und Ordnungsrufe aus dem Süden wie Eric Williams’ «Capitalism and Slavery» (1944), Aimé Césaires «Discours sur le colonialisme» (1955, dt. Über den Kolonialismus, 1968) oder Frantz Fanons «Les damnés de la terre» (1961, dt. Die Verdammten dieser Erde, 1961) wurden nur von wenigen gehört. Es brauchte den Fall der 28 Jahre alten Berliner Mauer, um jene andere Mauer sichtbar zu machen, die schon 500 Jahre alt war, wie es anlässlich des Kolumbus-Jubiläums von 1992 in Lateinamerika hiess. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in der Schweiz neben dem Wegfall der Blockierung des Denkens durch den Kalten Krieg auch die Erschütterung des schweizerischen historischen Selbstverständnisses durch die Diskussion um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg die Sklavereidiskussion möglich gemacht hat. Es war ja just das Jahr 1997, in dem die Holocaust-Debatte in der Schweiz ihren Höhepunkt erreichte, als der Wegweisende
Artikel von Daniel Moser «Die Schweiz und der schwarze Holocaust» in der «Schweizerischen Lehrerzeitung» veröffentlicht wurde.

Ich gebe es hier leicht beschämt zu: Ich habe ziemlich spät gemerkt, dass ich nicht der einzige war, der dieses Thema entdeckt hatte. Da war nicht nur Moser, da waren auch die älteren Autoren: Lüthy, Dermigny, Bodmer, Röthlin und Debrunner hatten schon von den Beziehungen der Schweiz zur Sklaverei gesprochen, wenn auch in anderen Zusammenhängen. Und es gab andere Forscherinnen und Forscher, welche das Thema lange vor mir entdeckt hatten: Sylvie Streckeisen mit ihrem Aufsatz von 1997 über die Sklavereivergangenheit von Genf; die Basler Stettler, Haenger und Labhardt sowie Bouda Etemad, Thomas David und Jannick Schaufelbühl, die Autoren und die Autorin des Buches «La Suisse et l’esclavage des noirs». Ich glaube, dass wir zusammen, wie die Nuklearphysiker sagen, eine kritische Masse an Forschungsergebnissen geschaffen haben.

Kaufleute, Industrielle, Plantagenbesitzer

Erlauben Sie mir, Sie auf eine Reise von Ost nach West mitzunehmen, so wie ich sie gemacht habe, um hierher nach Genf zu kommen, und wie ich sie in meinem Buch Kapitel um Kapitel mache. Es wird ein PGV, ein «Parcours à Grande Vitesse», quer durch die Schweiz, quer durch die Jahrhunderte und quer durch die Kontinente, eine Reise auf der Suche nach Spuren der Sklaverei. Schauen wir in Trogen, dem alten Hauptort des Kantons Appenzell Ausserrhoden, die imposanten Patrizier-Paläste der Zellweger an. Am Ende des 18. Jahrhunderts waren die Zellweger eines der bedeutendsten Handelshäuser der Schweiz, nebst den Pourtalès von Neuchâtel und den Merian von Basel. Unter den Handelsniederlassungen, Warenlagern und geschäftlichen Kontakten des Zellwegerschen Systems finden sich denn auch fast alle jene Hafenstädte, durch welche die Güter- und Geldströme aus der Neuen Welt und in die Neue Welt flossen: Bordeaux, Cadiz, London, Genua, Lissabon, Glasgow und Marseille. Die Zellweger handelten mit den Sklavereiprodukten Kaffee, Zucker, Kakao, Indigo und Cochenille, die importierte Baumwolle stammte aus Cartagena de Indias, Cayenne, St. Domingue (dem heutigen Haiti), aus den US-Staaten Georgia und Louisiana sowie aus Maragnon in Brasilien. Die Verflechtung mit dem internationalen Handel nahm derartige Formen an, dass nicht nur die Kaufleute, sondern auch die Weber in den verstreuten Dörfern des Appenzellerlandes über die Abfahrtszeiten der Schiffe von Cadiz Bescheid wussten und ihre Verkäufe danach richteten.

Schauen wir in St. Gallen das rostige Tor an, das von der Villa von Jakob Laurenz Gsell übrig geblieben ist, einem sanktgallischen Kaufmann, der sich 1836 bis 1850 in Rio de Janeiro dank der Sklaverei bereicherte und mit einem schwarzen Diener in seine Heimatstadt zurückkehrte, um dort Mitglied des Bürgerrats und des Kaufmännischen Direktoriums, Bezirksrichter und Mitbegründer der Helvetia-Versicherungen zu werden. Betrachten wir im Thurgau das Schloss Glarisegg, das im 18. Jahrhundert von einem Mitglied der Familie Labhard erworben wurde. Die Labhard und die anderen «Mississippiens de Steckborn», wie Louis Guiguer von Bürglen, hatten gewaltige Summen in die «Mississippigesellschaft» investiert, ein Spekulationskarussell um Profite, Kolonien, Edelmetalle, Kaffee, Zucker, Tabak, Sklavinnen und Sklaven. Diese Mississippi-Spekulanten, welche ihre Aktien rechtzeitig verkauft hatten, erwarben mit ihren riesigen Gewinnen die Landgüter, welche man in Basel die «Mississippi-Güter» nannte, sowie Schloss Bottmingen. Louis Guiguer kaufte die Baronie von Prangins am Ufer des Genfersees und wurde so der Baron Guiguer von Prangins.

Blicken wir in Schaffhausen oberhalb des Rheinfalls auf die Villa Berbice hinüber, welche Johann Konrad Winz, Besitzer von Plantagen samt Sklaven, nach seiner Rückkehr aus der Kolonie Berbice bauen liess. Winz wurde später in den Kleinen Rat von Schaffhausen gewählt und war auch Mitglied der kantonalen Exekutive. Die Postadresse der Villa Berbice ist bis auf den heutigen Tag der «Berbiceweg». Dieser Strassenname erinnert uns an die Adresse «Im Surinam» beim Badischen Bahnhof in Basel, wo sich einst das Landgut «Im kleinen Surinam» befand, in Erinnerung an jene Sklavenplantage, welche eine gewisse Margarethe Faesch als Mitgift von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte. Dieser Strassenname wiederum erinnert uns an den «Chemin Surinam» hier in Genf, wo 1769 der Genfer Jean-Zacharie Robin ein Grundstück kaufte, das er «Surinam» taufte, weil er in dieser holländischen Kolonie eine Kaffee- und Baumwollplantage mit rund fünfzig Sklavinnen und Sklaven besass.
Schauen wir in Bäretswil im Kanton Zürich die alte Baumwollspinnerei an, von wo der Sohn eines Industriellen 1860 aufgebrochen ist, um zu erkunden, wo die Baumwolle herkam. Das war Adolf Guyer-Zeller, der später grossen Einfluss in der Nordostbahn haben, den Bau der Jungfraubahn initiieren, eine Bank gründen und griechischer Generalkonsul werden sollte. Während seiner Reise durch die Südstaaten der USA kommt er rasch in Kontakt mit den dortigen Plantagenbesitzern und ihren Familien. Er wird zu einer Fuchsjagd eingeladen und angesichts einer Gruppe von Sklaven, die gerade zur Arbeit aufs Feld gehen, sinniert er: «Als wir an ihnen vorbeiritten, konnte ich nicht umhin, eine Parallele zwischen denselben & uns zu ziehen; da der Sklave, bei der Morgendämmerung aufs Feld d. Arbeit gehend, hier der Herr, auch schon auf & zu Pferde, in d. Wald auf die Jagd reitend; – findet man hier im Süden nicht das mittelalterliche Ritterthum unter einer anderen Gestalt
wieder, damals waren es Schlossbesitzer & Leibeigene, jetzt sind es Pflanzer & Sklaven; das ist ein Bild des Lebens, die einen sind zum regieren, die andern zum dienen geboren.»

Rassistische Ideologen und Vordenker der Apartheid

Besuchen wir in der Stadt Bern das Geburtshaus von Carl Ludwig von Haller, Staatsrechtsprofessor, Mitglied des Grossen Rates, Mitautor der bernischen Verfassung und Mitglied des Geheimen Rates. 1816 ist der erste Band jenes Werks erschienen, das ihn über die Grenzen der Schweiz hinaus berühmt machen sollte und das der Periode der europäischen Geschichte zwischen 1815 und 1848 ihren Namen gegeben hat: «Restauration der Staatswissenschaften». Im Jahre 1818 erschien der dritte Band, der in ganz Europa eine gewaltige Ausstrahlungskraft entwickelte und welcher eine «Digression über die Sklaverey» enthielt. Im Jahr 1818, als schon acht Millionen Menschen als Sklavinnen und Sklaven über den Atlantik verschifft worden waren und in dem weitere 60 000 dasselbe Schicksal erleiden sollten, erklärte der berühmte Berner Staatsrechtler, Sklaverei sei weder unmoralisch noch unrecht, weder abscheulich noch verbrecherisch, sondern vernünftig. Sklaverei war für ihn «nichts anderes als die beständige, unbestimmte Dienstbarkeit gegen beständigen Lebensunterhalt», und in diesem Begriff lag für ihn an sich «nichts allzuhartes oder unmenschliches». Sklaverei konnte für Haller durchaus rechtmässigen Ursprung haben, und zwischen Herr und Sklave bestünden «wechselseitige Rechte und Verbindlichkeiten». «Der Herr», so Haller, «hat das Recht auf die Arbeitsleistung des Sklaven, weil er ihm ja dafür seinen Lebensunterhalt sichert. Der Herr hat das Recht, den Sklaven für begangene Verbrechen zu züchtigen oder zu töten.»

Schauen wir in der Grenzregion zwischen den Kantonen Wallis und Bern das Agassizhorn an, benannt nach Louis Agassiz, einem der grössten Naturforscher der Schweiz, aber auch einem der bemerkenswertesten Rassisten des 19. Jahrhunderts und einem Vordenker der Apartheid. In Neuchâtel gedenkt man in diesen Tagen mit einer Ausstellung im Naturhistorischen Museum seines 200. Geburtstages. Agassiz’ Leistungen in der Gletscherforschung sind eindrücklich, aber der Brief über die «Neger», welchen er 1846 an seine Mutter geschrieben hat, ist es noch mehr: «Trotzdem kann ich das Gefühl nicht unterdrücken, dass sie nicht vom selben Blut sind wie wir. Wenn ich ihre schwarzen Gesichter mit ihren dicken Lippen und grinsenden Zähnen sah, die Wolle auf ihrem Kopf, ihre krummen Knie und langen Hände, ihre langgebogenen Fingernägel und besonders die fahle Farbe ihrer Handflächen, musste ich sie immer anblicken, um ihnen zu bedeuten, mir vom Leibe zu bleiben. Und wenn sich diese widerliche Hand meinem Teller näherte, um mir vorzulegen, hätte ich lieber woanders ein Stück trockenen Brots gegessen als bei einer solchen Bedienung zu dinieren. Welches Unglück für die weisse Rasse, das Länder so eng mit der Negerrasse verknüpft hat! Gott bewahre uns vor solcher Berührung!»

Betrachten wir in Neuchâtel das imposante Hôtel DuPeyrou, zwischen 1765 und 1770 aus denjenigen Profiten erbaut, welche Pierre-Alexandre DuPeyrou, Neuenburger Bürger seit 1748, aus vier Sklavenplantagen in der holländischen Kolonie Surinam gezogen hatte. Trotz dieser Tatsache nennt ihn die Gedenktafel an seinem Palast nur «Financier und Mäzen», und die dreisprachige Tourismus- Broschüre der Stadt Neuchâtel informiert uns nur über die Tatsache, dass DuPeyrou ein Freund Rousseaus gewesen sei.

Schauen wir uns schliesslich hier in Genf die Büste von Carl Vogt vor dem Universitätsgebäude auf dem Plainpalais an. 1863 behandelt der erste Rektor der Universität in seiner «Vorlesung über den Menschen» über mehrere Seiten die Ähnlichkeit des «Negerschädels» mit dem Affenschädel. Eine Illustration stellt – jeweils im Profil – das Hirn der «Hottentoten Venus» und jenes des Mathematikers Gauss dar, um zu beweisen, dass letzterer für intellektuelle Leistungen prädisponiert war und erstere nicht. «Das Negerkind steht dem weissen nicht nach in Hinsicht seiner geistigen Fähigkeiten », belehrt uns der Herr Professor, der Herr Nationalrat, der Herr Ständerat. Aber dann passiert es: «Sobald aber die fatale Periode der Pubertät erreicht ist, tritt mit der Verwachsung der Schädelnähte und mit der Vorbildung der Kiefer derselbe Prozess ein, wie bei dem Affen.Die intellektuellen Fähigkeiten bleiben stationär und das Individuum sowie die Rasse im Ganzen werden unfähig, weiter vorzuschreiten.»

Es braucht eine Wiedergutmachung

Welche Konsequenzen zieht man nun aus der Tatsache, dass die Schweiz an der Sklaverei beteiligt war, ebenso wie Spanien, Portugal, Frankreich, Grossbritannien, Holland, die USA, Brasilien, Dänemark, Schweden und Brandenburg? Wie geht man mit der Tatsache um, dass auch unser Land aus der Sklaverei Profite gezogen hat, damit also aus einem «Verbrechen gegen die Menschlichkeit», wie Sklaverei und Sklavenhandel seit der UNO-Konferenz von Durban (2001) definiert sind? Für mich ist die Antwort klar: Es braucht eine Wiedergutmachung. Während der Kampagne zur Rehabilitierung von Paul Grüninger, dem früheren St. Galler Polizeikommandanten, welcher entlassen und verurteilt wurde, weil er einige Hundert jüdische Flüchtlinge vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten gerettet hatte, habe ich gelernt, dass es für die Wiedergutmachung eines grossen historischen Unrechts immer drei Phasen braucht.

Es braucht zuerst einmal die Aufarbeitung der historischen Fakten, wenn möglich durch die Zusammenarbeit zwischen den Opfern und den Tätern oder deren Nachfahren. Dann muss ein symbolischer Akt der Schuldanerkennung oder Entschuldigung stattfinden, welcher der Grösse des Unrechts und des Leidens angemessen ist. Es führt kein Weg daran vorbei: Die Täter oder, im Falle der Sklaverei, ihre Nachkommen müssen gegenüber den Nachkommen der Opfer, die im Falle der Sklaverei immer noch Opfer sind, ihre Schuld oder Mitverantwortung anerkennen und bedauern.

Nach der Erinnerungsarbeit braucht es eine materielle Wiedergutmachung. In welcher Form sie geleistet wird, wer genau an wen wie viel zahlen muss, ob sie freiwillig geleistet und ausgehandelt werden kann oder ob sie auf juristischem Weg erzwungen werden muss – das ist alles Teil einer Debatte, die längst begonnen hat und die an Bedeutung zunehmen wird, weil die Entwicklung des Völkerrechts unter dem Einfluss der Holocaust-Diskussion, der Auseinandersetzung um die Opfer der Apartheid, des Völkermordes in Ruanda und der Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien genau in diese Richtung geht.

Ich schliesse meine Ausführungen mit den Worten von Joseph Philippe Antonio, welcher unter Aristide haitianischer Aussenminister war und das Vorwort für mein Buch verfasst hat: «Ich möchte betonen, dass die Entdeckung von Schweizer (oder Appenzeller, Basler, Genfer, Neuenburger oder Hasle-Rüegsauer) Beziehungen zur Sklaverei nicht bedeutet, die Schweiz der humanitären Tradition und der Guten Dienste negieren zu wollen. Aber zu akzeptieren, dass es neben dem Genfer Henri Dunant, dem Gründer des Roten Kreuzes, auch einen gewissen Charles-Alexandre Dunant gab, auch er ein Genfer und zudem ein Sklavenhalter in Surinam, kann – so hoffe ich – dazu beitragen, ein aufrichtigeres Bild des eigenen Landes zu gewinnen.»