SVP auf Haiders Spuren?

Die St.Galler SVP schiesst sich auf linke Kulturschaffende ein. Jetzt ist Hans Fässler an der Reihe. Das erinnert an Jörg Haiders frühere Rechtspopulismus-Kampagnen in Österreich.


Seit einigen Monaten ist Hans Fässler, ehemaliger SP-Kantonsrat, Lehrer und Kabarettist, Objekt einer gezielten SVP-Kampagne. Hintergrund ist sein kürzlich erschienenes Anti-Sklaverei-Buch «Reisen in Schwarz-weiss». Darin zeigt er die Verstrickungen von Schweizern im transatlantischen Sklavenhandel und ihren Beitrag zur rassistischen Theoriebildung auf. Das aufklärerische Buch berührt ein historisches Tabu-Thema. Bis vor kurzem war die Sklaverei kein Thema für die Schweizer Geschichtsforschung. Jetzt belegen Untersuchungen (nicht nur von Fässler), dass die Schweiz in dieses Menschheitsverbrechen involviert war, obwohl sie keine imperiale Macht war und selber keine Kolonien hatte.

Diffamierungskampagne

Solche Erkenntnisse gefallen nicht allen. Besonders der SVP nicht, die trotz Bergier-Kommission, Flüchtlingsdiskussion und Vergangenheitsaufarbeitung immer noch an ihrem veralteten Geschichtsbild festhält. Fässler wurde in den letzten Monaten in Leserbriefen gleich mehrmals attackiert. Der SVP-Kantonsrat Roland Büchel aus Oberriet tat sich dabei besonders hervor. Er diffamierte Fässler am 1. Dezember 2005 im «St.Galler Tagblatt» als «Abzocker», weil er für seine Forschungen einen Beitrag von 15'000 Franken aus dem Lotteriefonds erhalten hatte. Büchel qualifiziert Fässler als «Eiferer» und «Verbissenen» ab und unterstellt ihm, er habe keine Belege für seine Behauptungen, sondern lediglich «vage Vermutungen und Anekdoten». Zudem wolle er nur «uns St.Galler mit einer siebenstelligen Summe melken».

Schon zuvor hatte Büchel Fässler schroff angegriffen. In einem ersten Leserbrief vom 8. Februar 2005 warf er ihm vor, er ziele «aufs Portemonnaie der leidgeprüften Leute», als Fässler in Haiti weilte. Ferner brachte er ihn in Zusammenhang mit dem umstrittenen Anwalt Ed Fagan und dessen Sammelklagen. Im SVP-Mitteilungsblatt «Impuls» schob Büchel Ende 2005 noch eine dritte Attacke nach, unter dem Titel «Systematisches Abzocken von öffentlichen Geldern». Fässlers Werk habe nur einen Zweck: «uns Schweizer, speziell uns Ostschweizer, fertig zu machen». Im «St.Galler Tagblatt» folgten dann zwei weitere Leserbriefe von anderen Personen, in denen Fässler mit identischen Anwürfen bedacht wurde. Sie stammen mutmasslich ebenfalls aus der SVP-Küche.

Inhaltlich erübrigt er sich, auf die primitive und im Übrigen ehrenrührige Polterei weiter einzugehen. Wer in kritischer historischer Forschung nur einen Missbrauch von Steuergeldern erkennt und einem Historiker Raff- und Geldgier unterstellt, hat sich ausserhalb des ernsthaften Dialogs gestellt. Zu fragen bleibt aber, woher die aggressive Penetranz von Büchel und Konsorten herrührt. Ob die Gründe nur in der Person des Rheintaler Politikers liegen, scheint fraglich. Büchel ist beruflich im Sportmarketing tätig und hat für den Fussballverband Fifa gearbeitet, wo bekanntlich raue Sitten herrschen. Wer aus diesem Haus kommt, wo Milliarden gescheffelt werden und wo man auch schon mit dem Thema Menschenhandel, wenn auch nicht mit Sklaven, so doch mit Fussballspielern, konfrontiert war, sollte - nebenbei gesagt - vorsichtig mit Abzockervorwürfen an andere sein.

Stand Haider Pate?

Es ist leider zu beobachten, dass der Geschichtsrevisionismus wieder an Boden gewinnt. Trotz der schmerzlichen Aufarbeitung des düsteren Kapitels Zweiter Weltkrieg, Nazi-Gold und Flüchtlingspolitik im Gefolge der Bergier-Kommission fühlen sich nur wenige Jahre danach reaktionäre Kräfte mit einem patriotisch-verklärten Geschichtsbewusstsein im Aufwind, als wäre nichts gewesen. Um weitere womöglich unbequeme Erkenntnisse abzuwehren, wird prophylaktisch die Integrität der Forschenden demontiert. So einfach ist das. Soll aber künftig über dunkle Kapitel geschwiegen werden wie heute Blocher über Südafrika?

Das Gebaren der SVP erinnert an Jörg Haiders FPÖ, die 1995 einen rechtspopulistischen Wahlkampf gegen die «linke Kulturschickeria» und «sozialistische Staatskünstler» führte. Es sollte der Volkszorn auf KünstlerInnen wie Elfriede Jelinek oder Claus Peymann vom Wiener Burgtheater umgelenkt und damit von der eigenen Fremdenfeindlichkeit abgelenkt werden. Will die SVP diesem Beispiel folgen? Die Geschichte gibt dafür keine Empfehlung her. Haider ist zwar in Kärnten immer noch im Amt, aber sonst ist er Schnee von gestern. Jelinek hat ihn überlebt und letztes Jahr den Literaturnobelpreis erhalten. Und wir werden Büchel und die SVP überleben, und künftige Generationen werden etwas über die Sklavereiverantwortung der Schweiz wissen. Trotz der SVP. (sp)