Ostschweizer im Sklavenhandel

In seinem Buch «Reisen in schwarz-weiss», das demnächst erscheint, berichtet Hans Fässler über Ortstermine in Sachen Sklaverei. Er zeigt auf, welche Ostschweizer Persönlichkeiten an der Sklavenunterdrückung mitwirkten.

Während bisher immer behauptet wurde, die Schweiz sei nicht in das Menschheitsverbrechen Sklavenhandel involviert gewesen, zeigen heute Studien das Gegenteil. Hans Fässlers Arbeit, während eines Bildungsurlaubs entstanden, trägt dazu bei, dass dieses ignorante Geschichtsbild langsam revidiert wird. Es gab sehr wohl Schweizer, an deren Händen direkt oder indirekt das Blut von Schwarzen klebte. Und die Schweizer Wirtschaft profitierte ebenfalls, wie diejenige der meisten europäischen Länder, vom transatlantischen Sklavenhandel.

Diese Beteiligung lässt sich an Orten festmachen. Diese Idee hat Fässler dazu bewogen, die LeserInnen an verschiedene Ortschaften zu führen, die mit der Sklavengeschichte zu tun haben, ohne dass dies heute noch ersichtlich wäre. Es sind auch solche aus der Ostschweiz darunter: St.Gallen, Trogen oder Rorschach. Fässler gelingt mit diesem Verfahren zusammen mit Markus Trabers schwarz-weiss Bildern eine anschauliche Vermittlung von Gegenwart und Vergangenheit.

In Trogen nimmt sich Fässler des Zellweger-Clans an. Die mächtige Textildynastie dominierte seit Mitte des 17. Jahrhunderts den Leinwandhandel. Vom enormen Reichtum dieser Familie zeugen noch heute Bauwerke wie der «Fünfeckpalast» oder die Zellweger-Gemäldesammlung (sonst würde man meinen, die Gemäldesammlung hiesse Fünfeckpalast). Die Zellwegers, deren Hauptniederlassung sich in Lyon befand, handelten nicht nur mit Baumwollstoffen, sondern auch mit «Kolonialwaren»: Zucker, Kakao, Kaffee aus Puerto Rico oder Farbstoffe wie Indigo und Cochenille aus den Antillen - alles von Sklaven produzierte Güter. Erst recht natürlich die Baumwolle, die aus Südamerika importiert wurde. Auch Jean-Rodolphe Wetter, der aus einer Herisauer Kaufmannsfamilie stammt, wurde mit seinen Fabriken in Südfrankreich, in denen Stoffe hergestellt wurden, in wenigen Jahren sehr reich. Ohne die transatlantische Sklavereiewirtschaft wäre das wohl nicht möglich gewesen. (sonst würde man meinen, bei Wetter hätten Sklaven gearbeitet)

In St.Gallen muss man den Namen Jacob Laurenz Gsell (1815-1896) merken. Er reiste nach Brasilien und kehrte als reicher Mann zurück - samt einem schwarzen Diener. Gsell hatte sein Geld auf Grund der Sklavenwirtschaft gemacht. Er bezeichnete die «Befreiung der Neger« als das Schlimmste, was passieren könne (siehe links vom November 2004). Aber Fässler enthüllt, dass Gsell nicht der Einzige war. Es gab nämlich in Guyana eine Plantage «Switzerland», wo sich 1733 und 1752 Sklavenrebellionen ereigneten, die blutig niedergeschlagen wurden. Die Plantage war im Besitz der St.Galler Familien Rietmann, Schlumpf und Högger, deren Exponenten in der europäischen Hochfinanz tätig waren. Schon der Historiker Herbert Lüthy, der aus St.Gallen stammte, berichtete über diese Verwicklung, leider aber nur in einer Fussnote, so dass diese traurige Tatsache nicht ins öffentliche Bewusstsein rückte.

Schliesslich noch Rorschach: Hier verweist Fässler auf Johann Baptist Gächter, geb. 1779. Dieser Berufsmilitär trat zunächst in französische Dienste ein. Dann kam er in eine helvetische Halbbrigade, die im Jahr 1803 als kolonialistische Söldnertruppe Frankreichs nach Saint-Domingue (Haiti) in den Kampf gegen die Erhebung der schwarzen Sklaven geschickt wurde. Der Militäreinsatz war vergeblich, die Schwarzen siegten. Und Gächter verlor bei diesem Einsatz sein Leben resp. ging an ihm zu Grunde - er starb 1812 auf hoher See. Wahrscheinlich fiel er dem Gelbfieber zum Opfer.

Weitere Ortstermine hat Fässler in Näfels, Bürglen, Chur sowie in Neuhausen, Bäretswil ZH, Basel, Fieschertal VS, Hasle-Rüegsau BE, Bern, Les Verrières NE, Marin-Epagnière NE, Neuchâtel, Vevey, Genf, Morges und Bussigny VD ausgemacht. Ein Zitat von Johann Jakob Rütlinger aus Wildhaus leitet das Buch ein. Rütlinger beobachtete 1823 die Sklavenhaltung in Nordamerika und verglich sie mit der Viehzucht in der Schweiz. Das sagt schon alles. (rh)

Hans Fässler, Reisen in schwarz-weiss. Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei. Rotpunkt-Verlag, Zürich (mit 19 schwarz-weiss Fotos von Markus Traber und einem Vorwort von Joseph Philippe Antonio)