DER RASSISTENBERG Aus formalen Gründen soll es nicht möglich seindas Agassizhorn in Rentyhorn umzubenennen. Historiker Hans Fässler tritt den Gegenbeweis an.

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Von Kaspar Surber

«Das Wetter war nicht optimal Aber weil das Agassizhorn ein Grenzberg ist, wollten wir es unbedingt abhaken. Über die steile Flanke gelangten wir zum Gipfel. Eine exponierte Sache: Nach Norden geht es über tausend Meter in die Tiefe. Es war gewittrig und ich erlebte das erste Mal ein Elmsfeuer am Pickel. Es bewog uns den Gipfel subito zu verlassen » So schildert Pia Hollenstein, ehemalige Nationalrätin der Grünen, in einem Brief an Hans Fässler, Historiker mit Schwerpunkt Sklavenhandel, ihren Aufstieg auf das Agassizhorn anno 1986.

Der Brief zeigt: Dieser Berg ist nicht einfach zu bezwingen. Dass er erst recht nicht einfach zu demontieren ist, musste Fässler selbst erfahren. Ende Mai forderte er die Umbenennung des Gipfels von Agassizhorn in Rentyhorn (siehe WOZ Nr. 24/07). Der Anlass: Dieses Jahr feierte die Schweiz den 200. Geburtstag des grossen Fischforschers und Entdeckers der Eiszeiten Louis Agassiz (1807-1873). In der Jubiläumsschau in seinem Geburtsort Neuenburg und in aktuellen Publikationen wurde kaum erwähnt, dass Agassiz ein bedeutender Rassentheoretiker war.

Als der Professor nämlich auf einer Studienreise in die USA erstmals einem Schwarzen begegnete, wurde sein systematischer Blick auf die Phänomene der Natur zum rassistischen Blick auf die Eigenschaften der Menschen. Unterwürfig, kriecherisch, nachahmerisch sei «der Neger», hielt Agassiz fest. Er versuchte die Minderwertigkeit der Schwarzen mit Fotografien zu beweisen. Nackt vor die Kamera treten musste auch ein

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«Unsere Datenanreicherung ist weit fortgeschritten»,
droht Fässler.
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Sklave namens Renty. Deshalb Fässlers Forderung: Umbenennung des Agassizhorn in Rentyhorn als weitherum sichtbares Eingeständnis der Beteiligung der Schweiz an Sklavenhandel, Sklaverei und Rassismus im 17., 18. und 19 Jahrhundert.


Piz Vinokourov
Kommt nicht infrage, lautete der Tenor bei den zuständigen Stellen. Argumentiert wurde formal: Das Bundesamt für Landestopografie verwies an die Ortschaften rund um das Horn. Die Gemeinderäte von Fieschertal, Grindelwald und Guttannen wiederum führten ins Feld, dass eine Umbenennung hohe Kosten verursachen und die BergsteigerInnen verwirren würde. All die neuen Karten all die neuen Routenführer! Nebenher wurde auch von «verdienstvollen Pioniervätern» gesprochen, über die man nicht «den Stab brechen wolle». Ein Leserbriefschreiber im «Tages-Anzeiger» brachte die Reaktionen auf den Punkt: «Der wahre Skandal ist nicht der Name dieses Berges an sich, sondern die Ignoranz, mit der man sich nun, da darauf aufmerksam gemacht wird, gegen eine konsequent antirassistische Linie sträubt».

Auch weitere ermutigende Reaktionen trafen bei Fässler ein. Urs Kneubühl, Direktor des Alpinen Museums in Bern, will künftig auf den Rassismus von Agassiz hinweisen. «Dies ist sogar ein Punkt, der die Führungen interessant machen kann ». Auch Peter Bodenmann, als Hotelier in Brig direkt vor Ort, sieht keinen dräuenden Imageschaden für das Wallis. Im Gegenteil: Er träumte in der «Weltwoche» bereits von einem Symposium unter dem Titel «Nationalismus, Rassismus, Alpinismus», Helikopterflug mit Kofi Annan zum Rentyhorn inklusive. Zuletzt verkündete die Gemeinde Samnaun Interessantes: Nach seinem Etappensieg an der Tour de Suisse 2002 hat man im Bündner Bergort einen namenlosen Gipfel nach Alexander Vinokourov benannt. Weil der Radrennfahrer wegen Dopings die diesjährige Tour de France verlassen musste, überlegt sich die Gemeinde derzeit, den Piz Vinokourov umzubenennen.


Beim Bundesrat
Namensänderungen sind also doch möglich. Deshalb wollen Fässler und sein mittlerweile gegründetes transatlantisches Unterstützungskomitee die bis anhin geäusserten Formalen Ein wände nun auf eigene Kosten ausräumen. Pünktlich zum Unesco-Gedenktag zum Sklavenhandel und seiner Abschaffung, der diesen Donnerstag begangen, wird lancieren sie eine Kunstkarte – sie zeigt wie gut sich der Name Rentyhorn in die Schweizerische Landestopografie einfügt. Die Postkarte soll ein erstes Signal sein. Denn, so vermeldet Fässler aus der Ostschweiz nach Bern und ins Wallis: «Unsere Datenanreicherung ist weit vorangeschritten». Sollte die Kunstkarte nichts bewirken, will er einen Sonderdruck der Landeskarte 1 25000 «Finsteraarhorn» in Angriff nehmen. Die nächste Gelegenheit, das Rentyhorn Wirklichkeit werden zu lassen, bietet sich dem Bundesrat. Der Genfer SP Nationalrat Carlo Sommaruga hat eine Interpellation in der Sache eingereicht.

Bestellung der Kunstkarte Rentyhorn und weiteres Material zum Thema: www.louverture.ch/agassiz.html