Eine Besteigung des Agassizhorns (Brief von Pia Hollenstein, Nationalrätin 1991–2006)

Hallo Hans

Zugegeben, meine historischen Kenntnisse über den Herr Agassiz muss ich korrigieren, respektive ergänzen. Irgendwie war Agassiz mit seinem nach ihm benannten Berg mir früher sympathisch. Wie war’s denn damals auf dem Agassizhorn, dem „Fast-4000ender“? Ui, da muss ich aber meine Hirnzellen kräftig aktivieren! Es war im 1986. Im Rahmen von 40 Jahre "Bergclub Bern" (damals noch "Katourg Bern" genannt) machten wir das ehrgeizige Projekt, die ganze Berner Kantonsgrenze abzulaufen. Und eine der "Riesentouren" - wohl meine längste Tour überhaupt - war von der Oberaarjochhütte zum Agassizhorn, dann runter und weiter aufs Grosse und Kleine Fiescherhorn bis in die Mönchsjochhütte. 17 Std. in Fels und Gletscher macht frau ja wirklich nur in jungen Jahren und mit Superkondition! Eigentlich völlig "gschtört".

Wir waren entweder im Juli oder August 1986 unterwegs. Das Wetter war nicht optimal. Aber weil das Agassizhorn ein Grenzberg ist, wollten wir den unbedingt auch "abhaken"! Und so gingen wir nur zu zweit (halt die beiden Fittesten!) über die steile Flanke bis zum Gipfel. Wir hatten's auf den imposanten Berg geschafft. Eine exponierte Sache: Nach Norden geht's über 1000 m in die Tiefe. Und das Wetter wurde gwittrig (was nicht grad lustig ist in dieser Höhe) und ich sah/erlebte das erste mal ein Elmsfeuer (am Pickel!), was uns bewog, den Gipfel subito zu verlassen. Für mich ein spezielles Erlebnis. Und wir hatten Glück, es gibt uns beide noch!

Deine Dokumente bringen die aussergewöhnliche Tour wieder in Erinnerung, und der Gedanke kommt mir, ob meine damalige Tour mit den erschreckenden historischen Erkenntnissen an Bergsteigerwert nun verliert? Ich hatte bisher ja keine Ahnung über die "dunklen Seiten" von Louis Agassiz. Mir war er nur als renommierter Gletscherforscher bekannt. Ich bin froh, dass eine Diskussion zur Umbenennung des Berges geführt wird. Schliesslich könnte das Kennen der geschichtlichen Fakten ein Schritt zur Wiedergutmachung sein. Und meine damalige Agassiztour verliert nichts an Erlebniswert.

 Pia Hollenstein