Fakten beim Namen nennen

Das Agassizhorn und eine mögliche Umbenennung

Das Agassizhorn, versteckt im Schatten des Finsteraarhorns, ist kein berühmter Berg. Es trägt aber seit dem 19. Jahrhundert den Namen eines berühmten Schweizers. Louis Agassiz, Pionier der Alpenforschung, wurde 2007 zum Anlass seines 200. Geburtstags in der Schweiz in zahlreichen Anlässen und Schriften geehrt, so auch in der SAC-Zeitschrift «Die Alpen». So habe ich den Namen Agassiz mit Anerkennung und Sympathie für diesen Naturforscher verbunden. Umso mehr war ich enttäuscht, als ich von Agassiz’ Schattenseiten hörte, die aber in allen Gedenkschriften völlig ausgeblendet wurden.

Dank dem Historiker Hans Fässler wissen auch wir jetzt, was in den USA schon zu Agassiz’ Lebzeiten bekannt war: Er war ein Rassist, der als berühmter Wissenschaftler in den USA die Minderwertigkeit der schwarzen Rasse wissenschaftlich beweisen wollte und mit seinem Namen gegen die Abschaffung der Sklaverei opponierte. Vor diesem Hintergrund hat Nationalrat Carlo Sommaruga (sp, GE) dem Bundesrat in einer Interpellation beantragt, das Agassizhorn umzutaufen in «Rentyhorn» – zum Gedenken an einen Sklaven, den Agassiz in beleidigender Art porträtiert hatte.

Der Bundesrat hat am 14. September 2007 den Antrag abgelehnt, u. a. mit der Begründung, er sehe keinen Widerspruch zwischen Agassiz’ Würdigung und dessen rassistischem Gedankengut. Das Medienecho war gering, der «Bund» berichtete in keiner Zeile darüber. Sind uns die dunklen Schatten an einer Schweizer Berühmtheit zu peinlich, um darüber zu sprechen? Oder wird es bei uns gar wieder «salonfähig», Schwarze als minderwertig darzustellen?

Für Grindelwalds Gemeindepräsidenten (eine der Standortgemeinden des Agassizhorns) ist klar: «Fässlers Vorpreschen ist eine Frechheit gegenüber einem unserer verdienstvollen Pionierväter.» Er befürchte einen Imageschaden für Grindelwald, «falls diese Geschichte nicht sofort ein Ende hat» («Tages-Anzeiger» vom 30. 6. 07).

Linus Buchs,

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