Pressetext,  21. August 2008

WHO'S AFRAID OF SASHA HUBER?

Schweizerisch-haitianische Künstlerin befliegt Agassizhorn

Heute Donnerstagmittag hat die schweizerisch-haitianische Künstlerin Sasha Huber mit einem Helikopter das 3947 Meter hohe Agassizhorn in den Berner/Walliser Alpen angeflogen und als Teil ihrer Kunstaktion eine Metalltafel ins Eis des Gipfelaufbaus gerammt, welche in englischer Sprache daran erinnert, dass der Namensgeber des Berges, der schweizerische Naturforscher Louis Agassiz (1807–1873), ein bedeutender Wegbereiter des wissenschaftlichen Rassismus des 19. und ein Vordenker der Apartheid des 20. Jahrhunderts war.

Bereits im Mai 2007 hatte das transatlantische Komitee "Démonter Louis Agassiz" verlangt, den Berg in Rentyhorn umzubenennen und so jenen Sklaven aus dem Kongo zu ehren, welchen Agassiz auf einer Plantage in South Carolina fotografieren liess, um die "Minderwertigkeit der schwarzen Rasse zu beweisen".

Die Vorbereitung der Kunstaktion war von diversen Nebengeräuschen begleitet gewesen. So hatte die ursprünglich angefragte Helikopterfirma ihre per E-Mail gemachte Zusage zur Durchführung der Aktion kurzfristig widerrufen, als durch einen Agenturartikel die geplante Aktion im Berner Oberland presseöffentlich wurde. Das Berner Oberländer Helikopterunternehmen, so hiess es, "wolle und könne sich in keine politischen Themen einmischen."

Damit ist aus Sicht des Komitees "Démonter Louis Agassiz" erneut deutlich geworden, wie schwer man sich in der Schweiz im Allgemeinen und im Berner Oberland im Besonderen mit politischen Themen wie Rassismus und Erinnerungspolitik tut. Die markigen Worte, mit denen die Gemeindepräsidenten von Grindelwald und Guttannen –­ beides Standortgemeinden des Gipfels – sich gegen eine Umbenennung ausgesprochen haben, haben offenbar ihre Wirkung auf Firmen und Personen, die auch von Gemeindeaufträgen abhängig sind, nicht verfehlt.

Immerhin scheinen auch Gletscher schmelzen zu können. Beim jetzt amtierenden Gemeindepräsidenten von Grindelwald ist nämlich bereits ein Lernprozess bemerkbar. Wo sein Vorgänger noch von einem "Vorpreschen" seitens des Komiteegründers, des St.Galler Sklaverei-Historikers Hans Fässler, und von einer "Frechheit gegenüber einem unserer verdienstvollen Pionierväter" sprach, hat Emanuel Schläppi immerhin zugestanden, "Louis Agassiz habe nicht alles gut gemacht in seinem Leben".  Wer weiss, vielleicht wird es einer seiner Nachfolger einmal so weit bringen, das Wort "Rassismus" in den Mund zu nehmen...

Glücklicherweise ist es nun gelungen, kurzfristig ein anderes Berner Oberländer Helikopterunternehmen zu finden, welches sich bereit erklärt hat, den Flug zu übernehmen. Da befürchtet werden musste, dass auch diese Firma sich wegen einer erneuten Kontroverse und angesichts der ablehnenden Stimmung im Berner Oberland zurückziehen würde, wurde von der Künstlerin beschlossen, die heutige Aktion weitgehend unter Ausschluss der Medienöffentlichkeit durchzuführen. Angesichts der Wetterlage, welche nur für Donnerstag gute Flugbedingungen versprach, wurde auch beschlossen, die Aktion vom 23. August, dem "Internationale Gedenktag an die Sklaverei und deren Abschaffung", vorzuverschieben.

Die heutige Aktion wurde vom Kameramann der Künstlerin gefilmt und fotografisch festgehalten, und das Film- und Tonmaterial sowie die Metalltafel werden nun für die das Ausgangsmaterial für die Ausstellung dienen, welche Sasha Huber im November an ihrem Arbeitsort Helsinki präsentieren wird.

Das Komitee seinerseits beabsichtig nun, in den nächsten Wochen ein Gesuch zur festen Installation der Tafel (welche auch ein Bild Rentys zeigt) im Gipfelgestein des Agassizhorns an alle jene Gremien zu stellen, die den juristischen Kontext für diesen Berg bilden. Dabei handelt es sich um die Gemeindebehörden von Grindelwald, Guttannen und Fieschertal, die Behörden der Kantone Bern und Wallis sowie Stiftungsrat und Patronatskomitee des "UNESCO Welterbes Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn".

Dabei ist besonders pikant, dass im Stiftungsrat unter dem Präsidium von Benedikt Weibel amtierende oder ehemalige Gemeindepräsidenten von Lauterbrunnen, Naters, Niedergesteln und Grindelwald sitzen und im Patronatskomitee unter dem Präsidium von alt Bundesrat Adolf Ogi kein geringerer als der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan.

Bei der Beantwortung dieses Gesuchs wird sich zeigen, ob der Ghanaer Annan es sich leisten kann, das vor allem von der UNESCO in den letzten Jahren forcierte Ziel des Anti-Rassismus und des Gedenkens an die Sklaverei im Fall Agassiz derart gering zu schätzen, wie es die schweizerischen, die Walliser Kantons- und die Berner Oberländer Gemeindebehörden bisher getan haben.