Brillante Sprache und Mimik

Der St.Galler Kabarettist Hans Fässler trat mit seinem neuen Programm im Rheintal auf.

Altstätten. Das Diogenes-Publikum erlebte am Samstag ein Feuerwerk an Esprit und bitterbösem Humor, an geschichtlichem Wissen, sozialer Gesinnung und messerscharfem Wortwitz.

MAX PFLüGER

Geistvoll und mit viel Humor präsentierte sich am Samstagabend Hans Fässlers politisches und musikalisches Kabarett «Louverture stirbt 1803» im Diogenes-Theater. Auf den Spuren des haitianischen Revolutionärs Toussaint Louverture (gestorben 1803), 635 Schweizer Soldaten im Dienste der Franzosen (nach Haiti verschifft und dort gestorben 1803) und des Kantons St. Gallen von Napoleons Gnaden (geboren 1803) führte Hans Fässler sein Publikum während annähernd zwei Stunden durch die vergnüglich-besinnliche Fernsehsendung von Tele oha «xy-Chromosom - Kinder suchen ihre Eltern».

Geschichte aktuell gemacht

Ausgangspunkt der Sendung ist der 200 Jahre alte SG aus CH, das Produkt einer Desktop-Fertilisation, einer Schreibtisch-Befruchtung. Er ist entstanden am grünen Tisch. Als Eltern meldet sich am Handy der Krieg, seit dem griechischen Philosophen Heraklit bekanntlich der Vater aller Dinge. Aber auch ein irischer Mönch namens Gallus will seine Vaterschaft geltend machen. 1803 stach von Ajaccio (Korsika) ein Schiff mit über 600 Schweizer Soldaten in See. Das Ziel: Saint-Domingue. Zusammen mit anderen Söldnern aus aller Welt und Napoleons Soldaten sollen sie den Sklavenaufstand unter Toussaint Louverture, dem «schwarzen Napoleon», niederschlagen. Der Schweizer Truppe gehören auch mehrere St.Galler an, darunter zum Beispiel ein Jean Baptiste Vogt aus Altstätten. Keiner kommt lebend zurück. «Mort» steht in den Listen, welche Fässler in einem Pariser Archiv gefunden hat: gestorben am Gelbfieber, gefallen. Fässler bleibt aber nicht im Geschichtlichen hängen. Immer vermag er einen aktuellen Bezug deutlich zu machen. Er bringt Themen aus dem Lokalbereich zur Sprache wie die Kreiselkultur, den Fluglärm in Altenrhein, den Kult um Ausländer im Fussball und seinen eigenen Streit um das Hissen fremder Flaggen an der Kathedrale. Seine Inhalte sind aber auch gesamtschweizerisch von Bedeutung: Geldwäscherei, und die Kapitalströme ausländischer Potentaten und Diktatoren werden gegeisselt. Komödiantisch perfekt vertritt er als Ed Fagan eine Sammelklage der Schwarzen aus Haiti gegen die Nachfahren der Schweizer Soldaten, welche ihren Aufstand niederschlagen halfen.




Brillant

Und das alles serviert Hans Fässler mit brillanter Sprache und Mimik und wirbelndem Tempo. Er wechselt Personen und Dialekte, singt Reinhard Meys «Über den Wolken» mit den Worten «Unter den Wolken muss der Lärmteppich grenzenlos sein» und funktioniert Mani Matters Lied um: «will si kei Hemmige hei». Alles in allem: eine grossartige kabarettistische Leistung von grösster Dichte, welche zu keiner Zeit auch nur den geringsten Durchhänger aufwies. Und ganz zum Schluss galt Fässlers Dank dem Kanton «für die grosszügige Unterstützung seiner eigenen Rufschädigung».

[Der Rheintaler, 31. März 2003]