Linkspolitische Satire

Kabarettist Hans Fässler nimmt Kantonsjubiläum mit «Louverture stirbt 1803» auf die Schippe

Lichtensteig. Mit Hellraumprojektor und Gitarre begeisterte Hans Fässler im «Chössi»-Theater ein intellektuelles Publikum mit links-politischem Kabarett zum Kantonsjubiläum.

Tanja Trauboth

Auch Hans Fässler, der «Alt-Links-Satiriker», wie er sich am Samstagabend im «Chössi»-Theater vorstellte, musste sich zum 200-Jahr-Jubiläum des Kantons St. Gallen etwas einfallen lassen, denn der grosszügige Kanton St. Gallen hatte auch etwas Geld übrig für die eigene «Rufschädigung», wofür sich der Künstler auf der zuletzt auf den Hellraumprojektor gelegten Folie in aller Form beim Kanton St. Gallen herzlichst bedankte.


Fernsehen, Computer, Vortrag

Der Hellraumprojektor simulierte Fernsehbildschirm, Computer, Jahresbericht des Verkehrsverbands, Lehrerfortbildung. Eingefärbt mit den typischen Akzenten des Baslers, Appenzell-Innerhoders, Wieners, des Franzosen und des Bayern trug der Komödiant auf Hochdeutsch vor, manchmal auch in Englisch. Mit «XY-Chromosom» mokierte er eine Fernsehsendung des Senders Tele Oha, in der ein schnieker Moderator die Eltern des gesundheitlich angeschlagenen, 200-jährigen Herrn S. G. sucht. Beim «Phone-in» melden sich zwei mögliche Väter, ein Herr Krieg, der sich als «Vater aller Dinge» ausgibt, sowie der Mönch Gallus, der statt der geforderten «Blut, Schweiss und Tränen» gelobt, ein Stück Knochen für die DNA-Probe einzuschicken. Dazwischen kam die «Tagesschau» mit Berichten vom eigentlichen Thema. Sauber in den Archiven recherchiert, zeichnet Fässler das Schicksal des Toussaint Louverture, schwarzer Sklavenaufständischer aus Haiti, auf, der im Jahr der Gründung des Kantons St. Gallen 1803 in einem französischen Gefängnis nahe der Grenze zur Schweiz starb. Im Laufe des Abends zieht Hans Fässler immer neue Verknüpfungen zum Kantonsjubiläum.


Schweizer Söldner

So kämpften bei der haitianischen Revolution auch 600 Schweizer Söldner auf französischer Seite gegen die aufständischen Sklaven, darunter auch St. Galler. Als Reporter Walter van Gent berichtet Fässler in der Tagesschau mit niederländischem Akzent von den Geschehnissen. Wind und Geräusch simuliert ein vom Alleinunterhalter mit Fussdruck bedienter Föhn. Weiter stellt sich heraus, dass sich Schweizer Patrizierfamilien bereits im 18. Jahrhundert durch die Finanzierung moralisch verwerflicher Geschäfte schuldig gemacht haben. Zwar sei gesichert, dass die Schweiz nicht an der Produktion von Gewehren und Ketten beteiligt gewesen sei, wohl aber bei der Finanzierung des Sklavenhandels, lässt Fässler den amerikanischen Anwalt Ed Fagan im Stück sagen. Die Sammelklage der Nachfahren schwarzer Sklaven sei bereits unter Dach und Fach.


Insiderwissen nötig

Fässler setzt bei seinem Publikum Kenntnisse voraus, erworben vielleicht durch die regelmässige Lektüre einer linken Wochenzeitung. Auch Marcel Reich-Ranitzky sowie die Geschichte des Kantons St. Gallen sollte man kennen, um das Stück «Louverture» zu verstehen. Das Publikum kennt dafür die Tücken der visuellen Medien in Lehrsälen und bei Vortragsveranstaltungen. Die Zuschauer lachten, wenn Kabarettist Hans Fässler ernsthaft und im Jargon der Fachsimpler absurde Zusammenhänge vorträgt, zum Beispiel der Vergleich Haiti - Tahiti - Heidi. Die Präsentationsfolie selbst ist so unleserlich gestaltet wie möglich: In Wellenlinien gezogene, schräge, grösser werdende Buchstaben in blassblauer Farbe, alle Raffinessen des Computerprogramms nutzend. Den Abschluss bilden Vorschläge für weitere Jubiläen, zum Beispiel «100 Jahre Tür statt Thür (Rechtschreibereform), «100 Jahre Aspirin», «3 Jahre Mumie aus Teig». Letzteres ist einmal mehr nur Insidern der St. Galler Bäckereiszene erklärlich.