"L’Ouverture stirbt 1803"
Kabarett und Satire zum Kantonsjubiläum
Fässler/Häne/Pasqualini
c/o Hans Fässler
9016 St. Gallen
Imbodenstr.17
Tel. 288 39 52


Stadt St. Gallen
Stadtkanzlei
Rathaus
9001 St. Gallen


St. Gallen, 29. Oktober 2000


Beflaggungsgesuch

Bevor ich mein Anliegen vorbringe, möchte ich mich kurz vorstellen: Ich habe nach Absolvierung des Gymnasiums in St. Gallen an der Universität Zürich Englisch und Geschichte studiert und auch das Mittelschullehrerdiplom erworben. 1984 -1994 war ich Mitglied des Grossen Rates und 1986 -1993 Sekretär der Sozialdemokratischen Partei des Kantons St. Gallen. Zur Zeit bin ich Mittelschullehrer an der Kantons-schule in Trogen und Hausmann mit zwei Kindern. Ausserdem war ich in jüngster Zeit noch Mitglied der Verfassungskommission des Kantons St. Gallen.

Für das Kantonsjubiläum im Jahre 2003 habe ich nun zusammen mit den Musikern Willi Häne und Fabio Pasqualini ein Projekt eingereicht: Ein Kabarettprogramm soll auf satirische Art und Weise die Geschichte des Kantons St. Gallen und seine aktuelle Befindlichkeit darstellen. Dabei wird dem Thema "Fremdherrschaft" in dreifacher Hinsicht eine zentrale Rolle zukommen: zum einen in Form der realen französischen Okkupation, welche die Kantonsgründung erst ermöglicht hat, sodann in Form der imaginären sowjetischen Okkupation, welche als Drohgebärde das innenpolitische Klima der ganzen Nachkriegszeit nachhaltig geprägt hat, und schliesslich in Form der heute vor allem von rechtsnationalen Kreisen projizierten künftigen "Fremd-herrschaft" durch supranationale Organisationen wie EU und UNO.

So habe ich bereits die bischöfliche Kanzlei und den Administrationsrat angefragt, ob ich für eine Fotoaufnahme die Szene von 1798 nachstellen dürfe, als der helvetische Regierungskommissar Erlacher aus Basel, welcher mit den Franzosen nach St. Gallen gekommen war, "die Trikolore von den Türmen der Klosterkirche wehen liess" (Thürer, Band II, Seite 121). Auch habe ich bei der Staatskanzlei um die Bewilligung nachgesucht, eine imaginäre Szene aus dem Kalten Krieg nachzustellen, als man oft den Spruch hören konnte, wenn die Schweiz nicht wachsam sei, würden die Russen eines Tages "die Panzerketten im Bodensee waschen" (gewissermassen die Fortsetzung der Angst vor den "Kosaken, die ihre Pferde im Bodensee tränken werden"). Diese alptraumhafte Szene bestünde darin, dass am Regierungsgebäude die Flagge mit Hammer und Sichel gehisst würde.

Da sich der Bewilligungsprozess bei den oben genannten Instanzen noch etwas hinzieht, möchte ich in der Zwischenzeit mit einem ähnlichen Anliegen an die Stadt St. Gallen gelangen. Ich habe bei der Auseinandersetzung mit den politischen Veränderungen in der Schweiz während den Neunzigerjahren oft den Eindruck gewonnen, dass in gewissen rechtsnationalen Kreisen das Feindbild des Kalten Krieges, die Sowjetunion, ersetzt worden ist durch das Feindbild supranationaler Organisationen, insbesondere durch die EU, welche zudem oft noch als "links" oder gar "sozialistisch" etikettiert wird. Oder, um es noch mehr zuzuspitzen: Brüssel hat Moskau ersetzt.

Um diese Projektionen und Aengste, insbesondere die Angst vor dem Verschwinden schweizerischer und kantonaler staatlicher Souveränität, für unser Kabarett bildlich darzustellen, möchte ich - nicht zuletzt angeregt durch z.B. italienische Rathäuser - für eine kurze Fotoaufnahme an den drei Fahnenmasten des Rathauses folgende Beflaggung vornehmen: links Stadtfahne, Mitte EU-Fahne, rechts UNO-Fahne.

Ich möchte Sie deshalb bitten, mir dazu die Bewilligung zu erteilen bzw. dieses Gesuch an die für die Bewilligung zuständige Stelle weiterzureichen. Ich danke Ihnen bereits im voraus für Ihre Bemühungen.



Mit freundlichen Grüssen

Für das Projekt "L'Ouverture stirbt 1803"


Hans Fässler


Kopie z.K. an :

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Präsidentin des Grossen Rates
Fraktionen des Grossen Rates
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Bischöfliche Kanzlei
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