"L’Ouverture stirbt 1803"
Kabarett und Satire zum Kantonsjubiläum
lic. phil I Hans Fässler
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Tel. 288 39 52
9016 St. Gallen
e-mail: hans.faessler@freesurf.ch


Artillerieverein St. Gallen
Ruedi Labhart
Marktgasse 23
9000 St. Gallen


St. Gallen, 7. Dezember 2000



Bewilligungspraxis Klosterplatz


Sehr geehrter Herr Labhart


Ich nehme an, dass Sie aus der Presse über unsere Auseinandersetzung mit Kirche und Staat bezüglich einer 10-minütigen Hissung einer Trikolore an der Kathedrale bzw. der alten Sowjetflagge am Regierungsgebäude für fotographische Zwecke informiert sind. Falls nicht, finden Sie in den folgenden zwei Abschnitten eine Zusammenfassung unseres Anliegens.

Für das Kantonsjubiläum im Jahre 2003 habe ich zusammen mit den Musikern Willi Häne und Fabio Pasqualini ein Projekt eingereicht: Ein Kabarettprogramm soll auf satirische Art und Weise die Geschichte des Kantons St. Gallen und seine aktuelle Befindlichkeit darstellen. Dabei wird dem Thema "Fremdherrschaft" in dreifacher Hinsicht eine zentrale Rolle zukommen: zum einen in Form der realen französischen Okkupation, welche die Kantonsgründung erst ermöglicht hat, sodann in Form der imaginären sowjetischen Okkupation, welche als Drohgebärde das innenpolitische Klima der ganzen Nachkriegszeit nachhaltig geprägt hat, und schliesslich in Form der heute vor allem von rechtsnationalen Kreisen projizierten künftigen "Fremd-herrschaft" durch supranationale Organisationen wie EU und UNO.

So haben wir bereits die bischöfliche Kanzlei und den Administrationsrat angefragt, ob wir für eine Fotoaufnahme die Szene von 1798 nachstellen dürfen, als der helvetische Regierungskommissar Erlacher aus Basel, welcher mit den Franzosen nach St. Gallen gekommen war, "die Trikolore von den Türmen der Klosterkirche wehen liess" (Thürer, Band II, Seite 121). Auch haben wir bei der Staatskanzlei um die Bewilligung nachgesucht, eine imaginäre Szene aus dem Kalten Krieg nachzustellen, als man oft den Spruch hören konnte, wenn die Schweiz nicht wachsam sei, würden die Russen eines Tages "die Panzerketten im Bodensee waschen" (gewissermassen die Fortsetzung der Angst vor den "Kosaken, die ihre Pferde im Bodensee tränken werden"). Diese alptraumhafte Szene bestünde darin, dass am Regierungsgebäude die Flagge mit Hammer und Sichel gehisst würde. Die Angst vor dem Verschwinden der Heimat durch eine zu starke aussenpolitische Oeffnung der Schweiz soll sodann durch die Beflaggung des Rathauses mit der Stadtfahne, der EU- und der UNO-Fahne visualisiert werden.

Da uns nun aber (im Gegensatz zur Stadt) bei Kirche und Staat aus Rücksicht auf "die Würde des Klosterplatzes" die geplante Beflaggung abgelehnt worden ist, möchte ich Sie als offenbar erfolgreichen Antragsteller bezüglich der Nutzung des Klosterplatzes anfragen, welche Stellen und Institutionen Ihnen wann welche Bewilligungen erteilt haben und unter welchen Bedingungen.

Für eine baldige Antwort danke ich Ihnen schon im voraus.

Mit freundlichen Grüssen
für "L’Ouverture stirbt 1803"


Hans Fässler