Die ersten Privatbanken (17.-18. Jahrhundert)

Stärker noch als im 16. Jh. verlief die Entwicklung der B. in der Schweiz im 17. und 18. Jh. anders als im übrigen Europa. Der Kapitalmarkt funktionierte nicht wie in den grossen Königreichen, in denen die anhaltende Staatsverschuldung das Bankgewerbe begünstigte. Chronische Überschuldung des öffentl. Haushalts kannten die eidg. Stadtrepubliken (Luzern bereits vom Beginn des 16. Jh. weg) und ihre Verbündeten nicht mehr. Genf, das dank der Chambre des blés, einer Art von halbstaatl. Finanz- und Kreditinstitut, seine Finanzen aufzubessern vermochte, erreichte erst Mitte des 17. Jh. einen vergleichbaren Stand.

Zudem führten fremde Dienste, Protoindustrialisierung und Handel zu enormen Anhäufungen von privaten und öffentl. Geldern, die der Binnenmarkt nicht zu absorbieren vermochte und die somit ins Ausland abflossen. Die Anlagetätigkeit im Ausland verlangsamte sich während des Dreissigjährigen Kriegs, legte aber nach 1648 stark zu. Mehr und mehr, v.a. ab dem 18. Jh., übernahmen Handelsbankiers dieses Geschäft. In Genf waren es die d'Aubert, Boissier, Fatio, Lullin, Mallet, Rigot, Rilliet, De la Rue, Sellon und Thellusson, in St. Gallen die Högger, Schlumpf, Zili und Zollikofer, in Zürich die Meyer, Escher, von Muralt und Orelli, in Bern die Malacrida, Marcuard, Müller, Hunziker und Gruner, in Basel die Battier, Burckhardt, Heusler, Leissler, Merian, Mitz, Ochs und Sarasin, in Neuenburg die de Pury, de Rougemont, Perregaux und Cartier und in Lausanne die Grand, Silvestre, Panchaud und Delessert. Bereits um 1700 verlegten sich einige unter ihnen ausschliessl. auf das Bankgeschäft, das sie allein oder mit ein bis zwei Partnern betrieben. Sie unterhielten in den wichtigsten europ. Städten familiäre, freundschaftl. und geschäftl. Beziehungen und hatten Zugang zu den Regierungen, was ihnen ermöglichte, am internat. Zahlungsverkehr teilzuhaben und öffentl. Gelder aus der Schweiz im Ausland zu platzieren, vorzugsweise in Staatsobligationen in Österreich, Deutschland, Savoyen, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden, Schweden, England und den Vereinigten Staaten. Die Bankiers boten ihrer Privatkundschaft äusserst vielfältige Anlagemöglichkeiten, z.B. Investitionen in Renten oder in halbstaatl. Industrie-, Handels-, Schiffbau-Unternehmen und B. Gegen Ende des 18. Jh. waren etwa vierzig Schweizer Privatbankiers in Frankreich tätig, unter ihnen der Waadtländer Isaac Panchaud, Initiant und Verwaltungsrat der Caisse d'escompte (1776-93), Jean-Frédéric Perregaux, Mitbegr. und erster Präs. der 1800 gegr. Banque de France, sowie Benjamin Delessert, deren Direktor. Vergleichbare Karrieren machten die Brüder Ochs als Bankiers des österr. Hofs in Wien und Pierre-Isaac Thellusson, Direktor der Bank of England in London.

In der Schweiz teilten die Staatsbanken das Schicksal des 1744-46 liquidierten Basler Stadtwechsels: Sie verloren zusehends an Bedeutung und mussten sich mit dem lokalen Kleinkreditgeschäft, insbes. mit Pfandkrediten, begnügen. Hier bestand nach wie vor Bedarf, was zu Neugründungen von staatl. B. führte. 1752 wurde in St. Gallen die Obrigkeitliche Leinwatcassa eröffnet, die den um 1700 in eine Strukturkrise geratenen Tuchfabrikanten kurz- und mittelfristige Kredite gegen Hinterlegung von Leinenballen gewährte. 1788 folgte ein vergleichbares Institut für den Baumwollsektor, die Mousseline- und Baumwolltuchcassa; 1800 fusionierten beide Kassen. In Zürich kam es 1755 auf Initiative von Privatbankiers zur Gründung der vorerst staatl. Bank Leu , deren Aufgabe darin bestand, die Kaufkraft aufzufangen, die man als zu stark und inflationär wirkend erachtete. Mit der Ausgabe von Kassenscheinen, mittels deren die Bank Leu das Kapital im Ausland anlegen sollte, hoffte man den Zinszerfall und die Preiserhöhung auf Gütern des tägl. Bedarfs stoppen zu können.

[aus: Historisches Lexikon der Schweiz]