200 Jahre Kanton St. Gallen
Kabarett "Louverture stirbt 1803" zum Jubiläumsauftakt
Besprechung

Von Michael Nyffenegger, sda

St. Gallen (sda) Mit dem politisch-musikalischen Kabarett
"Louverture stirbt 1803" haben in St. Gallen die Feiern zum
200-Jahr-Jubiläum des Kantons begonnen. Hans Fässler setzte einen
frechen Auftakt mit überraschenden historischen Elementen.

Ausgangspunkt ist der schwarze haitianische Revolutionär
Toussaint Louverture, der 1803 als Gefangener Napoleon Bonapartes
in einem Kerker im französischen Jura starb. Etwa zur gleichen Zeit
- am 19. Februar 1803 - gründete Napoleon in Paris am "grünen
Tisch" den Kanton St. Gallen.

Fässlers Kabarettprogramm zeigt, dass die Zusammenhänge zwischen
St. Gallen und Haiti weit brisanter sind als die zufällige
gemeinsame Jahreszahl 1803: So erfuhr das Publikum am Mittwochabend
im Pfalzkeller etwa, wie St. Galler Söldner auf Haiti gegen
aufständische Sklaven kämpften.

Schweiz und Sklavenhandel

"Louverture stirbt 1803" basiert auf historischen Recherchen.
Ostschweizer Kaufleute - darunter bekannte Namen wie Zellweger,
Rieter oder Zollikofer - sollen ihre Geschäfte nicht nur mit
Kolonialwaren gemacht haben. Zumindest indirekt als Financiers
waren sie auch an Sklaventransporten beteiligt.

Der Kabarettist und Geschichtslehrer präsentierte seine Lektion
mit Hellraumprojektor, dazwischen als originelle "Tagesschau", dann
wieder als Parodie auf einen Professor oder singend mit der
Gitarre. Dabei wirkte die anderthalbstündige One-man-show zum Teil
historisch überladen und allzu belehrend.

Hemmungslose Abzocker

Dazwischen setzte Fässler Glanzlichter. So sang er in einer
neuen Version des Mani-Matter-Songs "Hemmige" von Managern,
Entlassungen, Abzockern und Profiteuren - "well si kei Hemmige
hei". Als "Ed Fagan" stellte er die "Swiss Slavery Connection
Campaign" vor und kündigte eine Sammelklage an.

Auch St. Gallisches kam nicht zu kurz, etwa in ironischen
Überlegungen zur "Durchkreiselung" des Kantons oder Liedern über
den Flugplatz Altenrhein, die Walensee-Dörfer Quinten, Quarten,
Terzen und den Glarner Müller-Friedberg, der zu Unrecht als Gründer
des Kantons St. Gallen bezeichnet wird.

In einer "Ansprache" gab Fässler schliesslich der St. Galler
Regierung - die an der Premiere im Pfalzkeller in corpore durch
Abwesenheit glänzte - Tipps für das 200-Jahr-Jubiläum: "Keine
Politiker, keine Reden", so die Empfehlung des 49-jährigen
Kabarettisten und früheren SP-Kantonsrats.

Publikum begeistert

Das Premierenpublikum zeigte sich am Schluss begeistert. Er habe
Lust verspürt, "dem offiziellen Gedenken an 1803 etwas Ironisches,
Unsanktgallisches entgegen zu setzen", sagt Fässler. Im Bemühen,
nicht lokalpatriotisch zu werden, sei er auf Haiti und Toussaint
Louverture gestossen.

Die Rolle der Schweiz im Zusammenhang mit Sklaverei und
Sklavenhandel ist auch Gegenstand von Vorstössen im Nationalrat und
den Kantonsparlamenten von St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden,
Thurgau, Schaffhausen, Graubünden, Zürich, Bern, Basel-Stadt,
Neuenburg, Waadt und Genf.

Notiz: Nächste Vorstellungen von "Louverture stirbt 1803" am
26. März in Speicher AR, 27. März in Rorschach, 29. März in
Altstätten SG, 13. April in St. Gallen, 25. April in Mels SG.
www.louverture.ch