Wiedergutmachung von Sklavenhandel

GROSSER RAT Wie bitte? Der Staat Bern soll am Sklavenhandel bis Ende des 19. Jahrhunderts beteiligt gewesen sein? Die Frage klingt absurd, beinahe grotesk, denn schliesslich ist die Eidgenossenschaft nicht als seefahrende Nation in die Geschichtsbücher eingegangen. Tatsache ist jedoch, dass der damalige Kanton Bern sowie wohlhabende bernische Geschäftsleute indirekt den Sklavenhandel ein wenig mitfinanzierten - über den Besitz von Aktien und Obligationen von Unternehmen, die sich am Sklavenhandel bereicherten.

Diese Erkenntnisse sind in Historikerkreisen längst nichts Neues - neu waren sie jedoch für SP-Grossrat Michael Kaufmann (Bern). Auf die Problematik hingewiesen habe ihn der Historiker Hans Fässler, der die Erkenntnisse aus den 60er-Jahren neu aufgearbeitet und letztes Jahr publiziert habe, erklärt Kaufmann. Und so wollte der SP-Grossrat von der Berner Regierung in einer Interpellation wissen, ob sie sich der Tatsache bewusst sei, dass sich die Schweiz und der Kanton Bern am Sklavenhandel beteiligt hätten. Er wollte weiterwissen, ob der Regierungsrat bereit sei, diesen «dunklen Fleck» der Geschichte aufzuarbeiten und sich allenfalls an Wiedergutmachungszahlungen im Rahmen von bereits stattfindenden Uno-Konferenzen zu beteiligen.

Regierung kennt die Geschichte

Die Berner Regierung erwies sich als historisch gewandt. Sie erteilte in ihrer Antwort dem Interpellanten eine kleine Geschichtslektion. Zwischen 1719 und 1734 besass der Staat Bern Aktien der englischen South Sea Company, die den so genannten Dreieckshandel mit Finanzmitteln, Rohstoffen, Waren und wie als Waren behandelten Menschen betrieb.

Private Banken waren beteiligt

Die Regierung verheimlichte nicht, dass Bern damit indirekt am Sklavenhandel beteiligt war. Ebenso hielten die zwei privaten in Bern ansässigen Banken Marcuard und Ludwig Zeerleder im 18. Jahrhundert Wertpapiere von der französischen Compagnie des Indes, die sich ebenfalls im Menschengeschäft betätigte. Der Regierungsrat erwähnt zudem den Bankier Emmanuel von Haller, achter Sohn des bekannten Berner Gelehrten Albrecht von Haller.

Der Regierungsrat sei sich folglich bewusst, «dass der Staat Bern, Bank- und Geschäftsleute sowie bernische Patrizierfamilien in den Dreieckshandel des 18. Jahrhunderts involviert waren>. Zusätzliche Studien brauche es deshalb nicht: Neue Studien wären nur wünschenswert, wenn der heutige Kenntnisstand offensichtlich mangelhaft wäre. Die Berner Regierung verfüge zudem nicht über die Kompetenz, an den laufenden Uno-Verhandlungen teilzunehmen.