Kulturell nicht relevant?

«Kein Lotterie-Geld für Fässlers Buchprojekt?», 10.5.04

Mit wachsendem Befremden verfolge ich diese Streiterei um 15 000 Franken aus dem Lotteriefonds für Fässlers Buchprojekt. Man braucht keineswegs dasselbe Parteibuch wie Hans Fässler zu besitzen, um einzugestehen, dass keines seiner Werke, ob zwischen Buchdeckel oder auf der Bühne, uninteressant und nicht wenigstens für kontroverse Auseinandersetzungen als anregend zu bezeichnen wäre. Die hilflos anmutende Argumentation der Finanzkommission kann so natürlich kaum ernst genommen werden: Gerade weil das Thema weit genug in der Vergangenheit liegt und somit keine noch lebenden Personen angreifbar werden könnten, erlaubt das Werk seinen zukünftigen Lesern den unvoreingenommenen Zugang zu einem nächsten Kapitel unserer erweiterten Geschichte. Ich bin sicherlich nicht der Einzige, den es sehr wohl umfassend (die Geschichte von Leinenhandel und Stickereigewerbe hat sich inzwischen herumgesprochen) interessiert, wie der immense Reichtum zustande kam, der letztlich auch heute noch weitgehend das architektonische Bild vieler Strassenzüge St. Gallens prägt.

Liegt da etwa eine Abseitsstellung innerhalb des Selbstverständnisses der Finanzkommission vor, die glaubt, definieren zu müssen, wie weit ein historisches Ereignis zurückliegen muss, um als kulturell relevant zu gelten? Ist es überhaupt ihre Aufgabe, zu urteilen, was in kultureller Hinsicht förderungswürdig ist, oder wäre es nicht besser, bereits gesprochene Fördergelder fliessen zu lassen, damit der Bürger diese Frage anhand eines Sachbuches selbst entscheiden kann? Nun, jedenfalls bleibt zu hoffen, dass die aus diesem peinlichen Streit erwachsene Publizität des Themas dazu führen wird, dass das Buch auch ohne Gelder aus dem Lotteriefonds finanzierbar werden wird und somit eine Veröffentlichung zustande kommt.

Heinz Näf
Lindenhofstr. 12, 9500 Wil