Kantonsrat Basel Stadt
Interpellation Urs Müller (BastA!)


SklavInnenblut an Christoph Merianstiftung und am Reichtum bekannter Basler Familien?

Erinnern wir uns: Als an der Rassismuskonferenz in Durban (Südafrika) 2001 unter anderem die USA auf der Anklagebank sass wegen dem "Black Holocaust", war die landläufige Reaktion: "Endlich die USA und nicht die Schweiz mit dem Nazigold!" Die Schweiz unterschrieb in Durban folgende Erklärung (Auszug): "Wir bedauern, dass Sklaverei und Sklavenhandel entsetzliche Tragödien der Menschengeschichte waren; nicht nur wegen ihrer abscheulichen Barbarei, sondern auch angesichts ihres Ausmasses, der Art ihrer Organisation und vor allem der Negierung des Wesens der Opfer. Wir erkennen ferner an, dass Sklaverei und Sklavenhandel ein Verbrechen gegen die Menschheit ist."

Wer ahnte damals in der breiten Öffentlichkeit, dass am Reichtum bekannten Basler Familiennamen wie Merian, Faesch, Hoffmann, Burckhardt, Riedy, Miville und Iselin SklavInnenblut kleben könnte?

Die Zahl der aus Afrika in die neue Welt verschleppten Sklavinnen und Sklaven wird für die Zeit zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert - je nach Schätzung - mit zwischen 10 und 30 Millionen Menschen angegeben. Im 17. und 18. Jahrhundert spielte der SklavInnenhandel als ein Element des sogenannten " Dreieckhandels" zwischen Europa, Afrika und Amerika eine wichtige Rolle. Europäische Handelsfirmen brachten Textilien, Alkohol und Waffen nach Afrika. Gegen diese Waren tauschten sie Sklavinnen und Sklaven ein und verkauften sie an Plantagenbesitzer in Südamerika, der Karibik und in Nordamerika. Von dort verschifften sie v.a. Baumwolle, Zucker, Kaffe und Indigo nach Europa. Die durchschnittliche Lebenserwartung für einen schwarzen Sklaven oder eine Sklavin auf einer Zuckerplantage betrug sieben Jahre - so hart waren die Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die Sklaverei hatte direkte Auswirkungen bis nach Basel. Bekannt war die Ausstellung von "Negern" im Basler Zolli Ende 19. Jahrhundert.

An sich ist das Wissen über die Basler Verflechtungen mit dem SklavInnenhandel nicht neu. Bekannte Basler Historiker wie Herbert Lüthy, Walter Bodmer und Hans Werner Debrunner haben die nachfolgenden Tatsachen zu Basler Familien recherchiert:

- Die SklavInnenburg Cape Coast (heutiges Ghana) wurde 1652 vom Basler Isaak Miville in schwedischen Diensten gegründet.
- Über Johann Jakob Hoffmann wird berichtet: "….und liessen sie (die Sklavinnen und Sklaven) hernach durch Mittelsmänner an die Küste von Venezuela bringen, wo sie gegen Kakao eingetauscht wurden. Hoffmann empfahl seinen Korrespondenten, nur junge, kräftige Neger und Negerinnen mit hübschen Gesichtern einzukaufen, da nur diese in Spanisch-Amerika einen preiswerten Absatz finden würden. Die in Curacao auf den Sklavenhandel stehende Kopfsteuer hoffte er dadurch teilweise umgehen zu können, dass er die Neger als Matrosen verkleiden liess."
- Die Familie J.J. Faesch, war im Kolonialwarenhandel tätig und besass auch Plantagen: " Erst von 1815 an haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kolonie sowie die Absatzverhältnisse für den Rohrzucker wesentlich gebessert. Der wieder aufgenommene Handelsverkehr mit dem Mutterlande und der nach dem Fall der napoleonischen Herrschaft in Europa vorhandene "Hunger" nach Kolonialprodukten bewirkten ein starkes Steigen der Rohrzuckerpreise. Durch den Ankauf von weiteren 41 Sklaven für Hoyland im Jahre 1820 konnte ferner die Zuckerproduktion wesentlich gesteigert werden und hat 1825 745 Fass erreicht."
- Das Basler Handelshaus Burckhardt war nach verschiedenen Quellen (darunter das Histrorische Lexikon der Schweiz) direkt oder über die Tochterfirma Bourcard & fils, an der Ausrüstung von bis zu sechs Sklavenschiffen beteiligt, an welcher auch Christoph Merian partizipierte.
- Reinhard Iselin wird als Finanzberater des dänischen Königs und grosser Kolonialwarenunternehmer erwähnt.
- Die Basler Firma Riedy wird im Zusammenhang mit Tätigkeiten im SklavInnenhandelshafen Nantes zitiert.

Dies ist nur eine unvollständige und verkürzte Auflistung. Offensichtlich bedarf dieses dunkle Kapitel der Basler Geschichte dringender zusätzlicher Aufklärung. Deshalb stelle ich dem Regierungsrat folgende Fragen:

1. Ist der Regierungsrat auch der Meinung, dieser Teil der Basler Geschichte bedürfe dringender zusätzlicher Aufklärung?
2. Ist der Regierungsrat bereit, für diese Recherchen Geldmittel zur Verfügung zu stellen?
3. Ist der Regierungsrat auch der Meinung, die Christoph Merianstiftung (CMS) sollte dringend abklären, wie weit ihr Stiftungskapital mit Sklavenblut belastet ist? Der Kanton ist immerhin Mitnutzer der Erträge!
4. Ist der Regierungsrat bei Bedarf bereit, mit Erben und Erbinnen von an Sklaverei oder SklavInnenhandel beteiligter Familien über Wiedergutmachung zu reden?
5. Ist der Regierungsrat bereit, in Zusammenarbeit mit in dieser Frage engagierten afrikanischen, amerikanischen und europäischen Organisationen Vorstellungen hinsichtlich Wiedergutmachung und Entschädigung gegenüber Afrika zu entwickeln, sollte eine Aufarbeitung die These von der Beteiligung Basler Bürger und Bürgerinnen bestätigen?
6. Hat der Regierungsrat noch andere Vorstellungen oder Ideen, wie die Geschichte aufgearbeitet und das vermutete Unrecht gesühnt werden kann?