Stadtrat der Stadt Bern
Postulat: Erik Mozsa, Simon Röthlisberger (Junge Alternative JA!) Fraktion GB/JA!/GPB


Schweizer und Berner Beteiligung an Sklaverei und transatlantischem Handel mit SklavInnnen: Geschichte jetzt aufarbeiten!

Im Zusammenhang mit der Diskussion, die an der UNO-Konferenz von Durban (September 2001) über afrikanische Entschädigungsforderungen an Europa geführt wurde, wurde in der Schweiz einmal mehr die Überzeugung deutlich, dies alles gehe unser Land nichts an, weil wir mit Sklaverei, Sklavenhandel und Kolonialismus nichts zu tun gehabt hätten (Aussage von Jean-Daniel Vigny, Schweizer Menschenrechtsvertreter bei der UNO). Dabei haben namhafte Historiker aufgezeigt, dass über Spanien, Portugal, England, Frankreich und Holland hinaus der ganze europäische Kontinent durch ein weitreichendes Netz von Handels- und Finanzbeziehungen in den Dreieckshandel Europa–Afrika–Amerika–Europa mit einbezogen war, ja dass der wirtschaftliche Aufschwung Europas vom 16. – 19. Jahrhundert zu einem beträchtlichen Teil auf diesen ökonomischen Beziehungen und damit auch auf Sklaverei und transatlantischem Handel mit Sklavinnen und Sklaven beruhte. Der Schweizer Historiker Hans Fässler hat geschichtswissenschaftliche Forschungen zu dieser Thematik betrieben und auf die Verstrickungen schweizerischer und bernischer Unternehmen in den Sklavenhandel im 18. Jahrhundert hingewiesen. Auf der Internetseite www.louverture.ch sind seine Forschungstätigkeiten aufgeführt. Vor einigen Wochen stellte er diese den Medien vor (die WOZ, 20.2.03) und in verschiedenen Schweizer Städten und auch in Kantonen wurden Vorstösse zu diesem Thema eingereicht (siehe Basler Zeitung, 20.2.03).

Fässlers Erkenntnisse zeigen, dass schon ein kursorisches Studium verschiedener Werke und Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 18. Jahrhundert deutlich machen, dass die schweizerische Verflechtung in der Sklaverei und im Dreieckshandel weit enger war, als dies bisher bekannt war (Lüthy 1959, Peyer 1968, Meyer 1969). So finden sich in praktisch allen relevanten Tätigkeiten des Handels mit Sklavinnen und Sklaven schweizerische Akteure: vom Gründer einer Sklavenhandelsburg vor der Küste Afrikas über den Reeder, Financier, Versicherer und Aktienbesitzer von Sklavenschiffen bis hin zum Besitzer oder Aufseher von Plantagen, zum Offizier und Soldaten im Kampf gegen revoltierende Sklavinnen und Sklaven und schliesslich zum Kaufmann im Geschäft mit Gütern für den Dreieckshandel (Textilien) und Kolonialwaren (Zucker, Kaffee, Baumwolle, Indigo).

Auch Berner Firmen sind in dieses schweizerische und europäische Netz von Finanz- und Handelsbeziehungen einbezogen gewesen. Dabei gilt es, vor allem auf die Geschäftstätig-keiten von Marcuard & Morel, Jean Rudolphe Marcuard & Cie und Marcuard Beuther & Cie hinzuweisen, welche bis auf die Sklavenkolonie Saint-Domingue (heute Haiti) gereicht haben. Diese Angaben wurden uns vom Berner Staatsarchivar Peter Martig in einem Telefongespräch bestätigt. Die Privatbank Marcuard hat lange Zeit eine Filiale in der Stadt Bern (Martig) eingerichtet gehabt. Der Sohn des berühmten Albrecht von Haller, Emmanuel Haller, hatte Geschäfte grossen Stils mit Kolonialwaren aus Westindien (Kaffee, Zucker, Tabak) betrieben. Zahlreiche Berner Bürger hatten Aktien der französischen Westindienkompanie besessen, welche eine Zeitlang das Monopol auf den Handel mit Sklavinnen und Sklaven hatte.

Eine historische Aufarbeitung dunkler Kapitel der Vergangenheit ist deswegen angebracht. Die Verstrickungen von einzelnen Wirtschaftsexponenten lassen also vermuten, dass auch die Stadt Bern, wenn auch indirekt über Steuern etc., vom Gewinn des Sklavenhandels profitierte.

Daher ersuchen wir den Gemeinderat folgendes zu prüfen:

Der Gemeinderat gibt eine Studie in Auftrag, die die Verknüpfungen der Bernischen Wirtschaft mit dem Sklavenhandel untersucht und die aufzeigt, inwiefern die Stadt Bern von den Erträgen aus dem Sklavenhandel profitierte.

Sollte sich die Berner Beteiligung bestätigen, sind konkrete Vorschläge zu machen, was die Stadt Bern für eine symbolische Geste gegenüber den Nachfahren der Geschädigten unter-nehmen kann.