Bulletin zu den Konferenzen gegen Rassismus


Sklavenhandel und Sklaverei – Verbrechen gegen die Menschheit

Die Forderung nach Entschuldigung und Reparation für Sklaverei, Sklavenhandel, Kolonialismus und Apartheid konnte auf der Basis eines grundsätzlichen Konsenses unter den NGO behandelt werden; sie wurde denn auch lebhaft diskutiert. Zu aktuell weiterbestehenden Formen von Sklaverei ähnlichen Abhängigkeitsverhältnissen in Afrika, bestehen sehr unterschiedliche Auffassungen, welche in heftigen Wortgefechten Ausdruck fanden. Wie hier unter AfrikanerInnen mit grosser emotionaler Beteiligung diskutiert wurde, war gleichzeitig ein Loswerden von seit Generationen erfahrenem Schmerz und Leid. Immer wieder wiesen die RednerInnen auf die Leiden ihrer VorfahrInnen hin. Doch gewann ich den Eindruck, dass die Phänomene oft ganz unterschiedlich betrachtet und eingeordnet werden. Es ist schwer zu unterscheiden, was Folge des alten Kolonialsystems ist und was auf moderne Formen von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Kinderarbeit zurückzuführen ist. In der vom NGO-Forum verabschiedeten Deklaration schlagen sich diese Diskusssionen in folgenden Punkten nieder:

AfrikanerInnen und die Nachkommen von AfrikanerInnen teilen eine gemeinsame Geschichte, die durch Sklavenhandel, Sklaverei, Eroberung, Kolonisierung und Apartheid, mithin Verbrechen gegen die Menschheit, geprägt ist.

Der transatlantische Sklavenhandel war ein Verbrechen gegen die Menschheit, aber auch der Sklavenhandel durch die Sahara und über den Indischen Ozean wirkte sich negativ aus.

Die koloniale Zerstörung und Aufteilung Afrikas durch die europäischen Mächte führten zur bis heute andauernden Unterentwicklung und Marginalisierung Afrikas.

Bis heute geht der transsaharische Sklavenhandel, dessen Opfer vor allem Frauen sind, in Ländern wie Kamerun, Mauretanien, Niger und Sudan weiter.

Reparationen werden gefordert von jenen Nationen, die Sklaven hielten, Länder kolonisierten oder besetzten und sich dadurch bereicherten. Indigene Völker, die versklavt und deren Landbesitz geraubt wurde, sollen entschädigt werden. Das Aktionsprogramm der NGO fordert von der UNO die Einrichtung eines internationalen Tribunals, welches das Ausmass der Schäden infolge von Sklaverei, Sklavenhandel und Kolonialismus bezüglich AfrikanerInnen und die Nachkommen von AfrikanerInnen misst. Zu diesem Zweck soll in Afrika ein Forschungsinstitut aufgebaut werden. Alle Staaten werden aufgefordert, den antischwarzen Rassismus als besondere Form des Rassismus zu anerkennen. Im Schulunterricht sollen die historischen Erfahrungen von Tätern und Opfern des Sklavenhandels, der Sklaverei und des Kolonialismus behandelt werden.

Die Regierungen der afrikanischen Länder, in denen heute noch Sklaverei existiert, sollen diese abschaffen, die Täter bestrafen und die Opfer entschädigen. Die USA, Kanada sowie diejenigen europäischen und arabischen Länder, die von der Sklaverei profitiert haben, sollen innert eines Jahres nach Abschluss der Weltkonferenz einen internationalen Mechanismus zur Entschädigung der Opfer dieser Verbrechen gegen die Menschheit einrichten.

Die UNO und die Staaten werden aufgefordert, Land und kulturelles Erbe bedingungslos zurückzuerstatten und gewaltsam Vertriebenen und Umgesiedelten Land zuzuteilen. Ländern, welche Opfer von Verbrechen gegen die Menschheit wurden, sollen die Schulden gestrichen werden. Die afrikanischen Nationen sollen die gestohlenen Kulturgüter, Bodenschätze und besetztes Land auf dem Rechtsweg einfordern und die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung auffordern.

Die Regierungen konnten sich - nach dem Auszug der USA und nachdem die Konferenz um einen Tag verlängert wurde - schliesslich dazu durchringen, Sklavenhandel und Sklaverei, insbesondere deren transatlantische Variante, als Verbrechen gegen die Menschheit zu anerkennen, obschon dies vor allem Grossbritannien mit einer legalistischen Argumentation zu verhindern suchte. Frankreich hat bereits im Mai dieses Jahres ein Gesetz verabschiedet, das Sklaverei und Sklavenhandel als Verbrechen gegen die Menschheit anerkennt. Hingegen wird weder Entschuldigung noch Entschädigung für diese Verbrechen verlangt, obschon auf die Möglichkeit hierzu verwiesen wird. In Bezug auf den Kolonialismus wird anerkannt, dass dieser zu Rassismus und Leiden geführt hat und dies zu verurteilen sei. Die Verurteilung von Apartheid als Verbrechen gegen die Menschheit wird bekräftigt. Aber auch diesbezüglich werden keine Reparationsforderungen anerkannt. Hingegen wird aus der Einsicht, dass Sklaverei, Kolonialismus und Apartheid zu Verarmung, Unterentwicklung, wirtschaftlichen Disparitäten, Instabilität und Unsicherheit für viele Völker geführt hat, die Notwendigkeit von Entwicklungsprogrammen betont, welche Schuldenerlasse miteinschliesst.

Peter Leuenberger, Mitglied der Delegation der Eidgenössischen
Kommission gegen Rassismus, Delegierter des Forum gegen Rassismus